Wie wird man eigentlich Chefredakteur?
Rund um's Studium
…und was macht ein Chefredakteur eigentlich? PLANBAR sprach mit dem Chefredakteur der LAUSITZER RUNDSCHAU und hat die Antworten:
Was macht ein Chefredakteur?
Chefredakteure/-innen leiten die Arbeit in den unterschiedlichsten Redaktionen. Sie setzen die publizistische Leitlinie der Zeitung, Zeitschrift, des Radio- oder Fernsehsenders sowie des Onlinemediums im Sinne des Verlegers um. Ihre Hauptaufgaben sind die Themenplanung, Koordination und Organisation der Redaktionsabläufe. Sie kontrollieren zudem die Arbeitsergebnisse ihrer Mitarbeiter, beauftragen sie mit dem Schreiben von Artikeln und achten auf die rechtzeitige Fertigstellung der Beiträge. Im Onlinebereich achten sie auf die Einhaltung der Grundregeln für die Onlinepräsentation der Beiträge im Content-Management-System (CMS). Die Entscheidung oder Beantragung bei der Geschäftsleitung, ob ein/e neue/r Volontär/in eingestellt wird, gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie die Suche, Auswahl und Koordination von Autoren und Autorinnen. Außerdem müssen sie immer das Budget im Blick haben und für dessen Einhaltung sorgen. Bei verschiedenen Gelegenheiten präsentieren Chefredakteure/-innen ihr jeweiliges Medium in der Öffentlichkeit.
Wie wird man Chefredakteur?
Um den Posten des Chefredakteurs zu bekommen, musst du vorher eine Ausbildung oder ein Studium im Bereich Journalistik bzw. ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert haben.
Was verdient ein Chefredakteur?
Das hängt ganz allein vom jeweiligen Unternehmen ab. In den Stellenausschreibungen stets deshalb meist "frei vereinbartes Gehalt".
Damit du einen Einblick in den Alltag eines Chefredakteurs bekommst, haben wir mit Johannes M. Fischer, dem Chefredakteur der LAUSITZER RUNDSCHAU, gesprochen:
Herr Fischer, wo sind Sie eigentlich aufgewachsen?
Das ist eine gute Frage. Ehrlich gesagt, kann ich Ihnen das selbst nicht genau sagen. (schmunzelt) Geboren bin ich in einem kleinen Dorf in der Eifel, mit wenig Bevölkerung und viel Landwirtschaft. Aber die Phase des „Aufwachsens“ habe ich dann an der Mosel, in der Nähe von Koblenz, verbracht. Gerade diese beiden Stationen meines Lebens haben mich sehr geprägt. Ich bin ein eher ländlicher Typ.
Wie war Ihr Werdegang nach der Schule?
Nachdem ich mein Abitur gemacht habe, bin ich erst mal nach Bochum gegangen, um meinen Zivildienst im Krankenhaus abzuleisten. Danach habe ich mir eine Auszeit genommen und bin für ein halbes Jahr durch Südeuropa gereist, einfach um etwas von der Welt zu sehen und Erfahrungen in anderen Kulturen zu sammeln. Über Wasser gehalten habe ich mich in dieser Zeit mit kleinen Jobs hier und da. Als ich davon genug hatte, habe ich ein Studium mit der Richtung Politik und Germanistik in West-Berlin begonnen. Am Ende stand ein 1er Magister-Abschluss in „Ästhetik und Erkenntnistheorie“.
Was kann man sich unter dem Thema Ihrer Magisterarbeit vorstellen?
Die Erkenntnistheorie beschäftigt sich vorrangig damit, wie der Mensch diverse Dinge wahrnimmt. In Kombination mit Ästhetik, vor allem wie er Kunst wahrnimmt. Man könnte also sagen, ich habe mich mit der Funktion des menschlichen Verstandes und der Sinne auseinander gesetzt und dies unter philosophischen Aspekten betrachtet. In der Abschlussarbeit spielte aber nicht nur Literatur, sondern auch die Malerei eine große Rolle. Auch wenn es nicht unbedingt nachvollziehbar ist: Dieses Studium hat mir viel für die Arbeit bei der Tageszeitung gebracht, weil ich mir oft die Frage stelle „Wie nimmt der Rezipient unsere Medienbeiträge wahr und was kann man anders oder besser machen?“.
Und wie sind Sie nach dem Studium zu Ihrer journalistischen Laufbahn gekommen?
Während des Studiums habe ich mir den Weg für danach lange offen gehalten und habe mich erst spät entschieden ein Volontariat zu machen. Ich war mir, ehrlich gesagt, nie ganz sicher, ob ich tatsächlich zur Zeitung gehen sollte. Die Bewerbungen für das Volontariat habe ich ausschließlich nach Ostdeutschland geschickt, weil ich diesen Teil des Landes einfach besser kennenlernen wollte. Ich habe zwar in West-Berlin gewohnt und häufiger den Ostteil der Stadt besucht, aber da bekam man als Besucher nur einen kleinen Ausschnitt des Lebens in Ost-Deutschland mit. So landete ich dann 1991 in einer Lokalredaktion der Freien Presse, im Erzgebirge. Dabei war mir nicht alles fremd: Es war auch eine Rückkehr aufs Land. Ich hatte viel Spaß in der erzgebirgischen Lokalredaktion, vielleicht bin ich deshalb heute noch Lokaljournalist durch und durch.
Sie sind nach dem Volontariat der Freien Presse treu geblieben und später stellvertretender Chefredakteur geworden. Was lag dazwischen?
Ich habe in vielen Ressorts gearbeitet. Eine Zeit lang habe ich über Politik geschrieben, bin dann in den Bereich „Zeitgeschehen“ gewechselt und später im Reporterressort gelandet. Das war eine heiße Zeit. Reporter zu sein, das ist Journalismus pur. Und der Spaßfaktor steigt, wenn man es versteht, sich gut zu organisieren. Es war wichtig, bei Bedarf immer einen Artikel fertig in der Hosentasche zu haben. Wenn ein Vorgesetzter fragt: „Herr Fischer, wir brauchen noch einen Aufmacher“, und Sie sagen lässig „Kein Problem“, dann hat das was.
In der Zeit als Reporter habe ich viele lokale Geschichten geschrieben, aber auch Kriegs- und Krisengebiete besucht: Mehrmals war ich im Kosovo, in Afghanistan und in Ruanda. Das ist neben meiner Kindheit wahrscheinlich das, was mich am meisten geprägt hat. Durch Besuche in Gefangenenlagern beispielsweise habe ich die kleinen Dinge des Lebens, wie eine heiße Dusche und regelmäßiges Essen, schätzen gelernt.
Und man lernt vorsichtig zu sein. Wenn man immer mehr will und bereit ist, für eine gute Story alles zu riskieren, dann wird man schnell zum Adrenalin-Junkie. Das kann in solchen Gebieten sehr schnell lebensbedrohlich werden.
Später habe ich ein Jahr lang intensiv mit den Redakteuren in den Lokalredaktionen gearbeitet, eine Art Qualitätsmanagement. Dabei ging es um Handwerk und Arbeitsorganisation, aber auch darum, wie man lokale Themen gut und interessant aufarbeitet. Noch ein wenig später wurde mir dann die Leitung des Regionalressorts übertragen. Der nächste Schritt war dann schon der Eintritt in die Chefredaktion. Dort habe ich unter anderem den regionalen Newsdesk eingeführt.
Wie kam es nach fast 20 Jahren Freie Presse 2010 zu dem Wechsel zur Lausitzer Rundschau?
Das kann ich eigentlich recht einfach sagen – die neue Herausforderung hat mich fasziniert. Die Umstrukturierung bei der Freien Presse war irgendwann abgeschlossen, die der Lausitzer Rundschau gerade im Gange. Reizvoll fand ich auch, dass die Lausitzer Rundschau eine lokalbezogene Tageszeitung ist. Das starke Interesse an crossmedialem Arbeiten, also am Umgang mit neuen Medien war ein weiterer Pluspunkt der mich hierher gezogen hat. Ich hatte sehr schnell den Eindruck, dass der Verlag und ich gut zusammen passen und wenn der Verlag das genauso sieht, bin ich zufrieden (schmunzelt).
Auch die Region finden meine Familie und ich sehr angenehmt. Es passiert so viel! Wir wohnen in Lübbenau und der Spreewald hat es mir besonders angetan, gerade weil mir in Chemnitz das Wasser fehlte. So ein Fluss wie die Mosel, an der ich groß geworden bin. Auch wenn das nicht jeder so sieht: Dieser Landstrich birgt eine hohe Lebensqualität.
Die meisten Menschen können sich hinter dem Wort „Chefredakteur“ recht wenig vorstellen. Was macht ein Chefredakteur?
Zu meinen Hauptaufgaben gehört natürlich das Festlegen der publizistischen Richtlinien, also zu schauen über welches Thema wir wie schreiben. Natürlich fällt auch das Management des gesamten Redaktionsbereichs in meinen Aufgabenbereich. Zum recherchieren und schreiben habe ich leider weniger Zeit, aber ab und zu bekomme ich auch das hin. Ich kümmere mich um den personellen Bereich der Redaktion und versuche, die Mitarbeiter nach ihren Stärken einzusetzen.
Zukunftsprojekte zu entwerfen und zu planen gehört natürlich auch zum Chefredakteurs-Dasein.Zurzeit arbeite ich mit meinen Kollegen an der Verschmelzung des Print- und Onlinebereichs, was ich für sehr wichtig in einem modernen Medienunternehmen halte. Dann rückt das Thema Redaktionsmarketing verstärkt in den Mittelpunkt. Was noch? Ich denke es ist wichtig, eine starke Bindung zu den Lesern aufzubauen, vor allem durch persönliche Kontakte. Ich versuche also auf möglichst vielen Veranstaltungen zu sein, um die soziale Wirklichkeit nicht nur über Pressemitteilungen kennen zu lernen. Was weiterhin ganz, ganz wichtig ist: die Arbeit an der Qualität des Produkts. Schließlich ist der Chefredakteur eine nicht ganz unwichtige Schnittstelle zu anderen Abteilungen im Haus.
Sie sind oft auch noch nach 22 Uhr im Haus. Wie lässt sich der Job als Chefredakteur mit der Familie vereinbaren?
Eigentlich gar nicht. Aber in die Lausitz zu gehen war eine Familienentscheidung. Ich habe einen Deal gemacht. Ich habe gesagt, wenn ich die Aufgabe als Chefredakteur bei der Lausitzer Rundschau annehme, dann sehen wir uns nicht mehr ganz so oft. Dafür gehört euch der Großteil meiner Freizeit. Ein guter Deal, denn ich bin gerne mit meiner Familie zusammen. Und ich muss sagen, bis jetzt klappt es richtig gut. Wenn ich mal Freizeit habe, versuche ich so viel wie möglich mit meiner Frau und meinen Kindern zu machen. Wir nutzen die gemeinsame Zeit einfach intensiver.
Sie sind unter anderem auch Buchautor. Wie kam es dazu?
Das Schreiben fiktiver Texte ist für mich ein Ausgleich zum Zeitungsalltag. Arbeiten ohne Zeitdruck, ohne Fristen und Termine hat für mich, auch wenn es durchaus anstrengend sein kann, einen hohen Erholungswert. Schön ist auch, Sachen aus meiner eigenen Perspektive zu betrachten und aufzuschreiben. Zeitungsartikel sind neutral und unabhängig von Meinungen. Journalismus ist streng und genau. Journalismus bildet Wirklichkeit ab. In meinen Kurzgeschichten hingegen bin ich frei. Ich muss nichts belegen. Ich bilde Wirklichkeit nicht ab, sondern bilde sie neu, und zwar so, wie es mir gerade in den Kram passt.
Generell mache ich in meiner Freizeit fast immer Dinge, bei denen ich weiß, dass sie nicht sofort fertig werden müssen. Fristen hat man auf Arbeit genug, da ist es schön mal etwas zu tun, was man einfach liegen lassen kann, wenn man keine Lust mehr hat. Wenn ich mit dem Kanu aufs Fließ gehe, dann lege ich mich zum Beispiel auch nicht fest, ob ich eine, zwei oder drei Stunden fahre. Es kling ein bisschen kitschig, aber das gibt mir das Gefühl von Freiheit.
Was sind die journalistischen Erfahrungen, die Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben sind?
Ich erinnere mich gut an eine lokale Geschichte über Korruption, bei der ich am Ende sehr große Schwierigkeiten mit ortsansässigen Größen bekam. Der Verlag stand aber voll hinter mir – das war eine gute Erfahrung. Es ist mir im Gedächtnis geblieben, weil ich bei keiner anderen Geschichte so viel „Gegenwind“ erlebt habe.
Und dann die Erlebnisse in den Krisengebieten, die ich nicht vergessen werde. Eine Story als Beispiel: In einem Gefangenenlager im Kosovo ist mir eine Schweizer Familie begegnet, die gar nicht im Kosovo lebten, sondern lediglich auf Verwandten-Besuch waren. Aber sie gerieten mitten rein in die Kriegswirren. Mit Pantoffeln liefen sie durch die schmutzigen Pfützen des Lagers, weil sie bei der Gefangenennahme nicht einmal Zeit bekamen, sich Schuhe anzuziehen. Ein Fotografen-Kollege und ich haben damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sie dort raus zu holen - und es am Ende auch geschafft. Das war ein sehr bewegender Moment. Während wir am Tag mit Botschaften verhandelten, schrieb ich in der Nacht die Artikel über das Leben der Familie im Lager.
Auf einer anderen Reise gerieten mein Partner und ich in eine Polizeistreife. Dabei drehte ein Polizist durch und hielt mir eine entsicherte Pistole an die Schläfe. So was gräbt sich tief ins Gedächtnis ein. Wenn man dann nach Hause kommt und sich in ein Straßencafé setzt, dann ist die Welt so was von in Ordnung und schön, dass man es im Grunde genommen gar nicht beschreiben kann.
Wenn Sie ein junger Mensch fragt, welche Voraussetzungen man haben sollte, um ein guter Journalist zu werden, was würden Sie ihm mit auf den Weg geben?
In erster Linie natürlich Neugierde. Man muss aufdecken und hinterfragen wollen. Als Journalist sollte man aber auch Lebenslust mitbringen. Zudem ist es wichtig kritikfähig zu sein, denn als Journalist eckt man ständig an. Egal wie und was man schreibt, man muss immer damit rechnen, dass das irgendeinem nicht gefällt, selbst dann, wenn es unproblematische Beiträge sind. Ich persönlich lege sehr viel Wert auf Genauigkeit. Wenn man sich mit einem Sachverhalt journalistisch auseinandersetzt, sollte man sehr genau recherchieren und schreiben. Ein Sinn für Sprache ist natürlich auch nicht verkehrt. Es ist vorteilhaft, viel zu lesen und dabei zu studieren, wie Schriftsteller es schaffen, Bilder im Kopf zu wecken. Ein Journalist sollte außerdem ein großes Einfühlungsvermögen haben, um die Motive und Gefühle unserer Informanten, aber auch die unserer Leser zu verstehen.
Quelle: Berufenet