Wie Vorurteile deine Bewerbung manipulieren und was dagegen hilft!
Bewerbung schreiben
„Es spricht vieles dafür, dass in einem leeren Kopf die Vorurteile besonders blühen.“ - Sir Peter Ustinov (britischer Schauspieler und Schriftsteller)
Wer behauptet, dass alle Polen Autodiebe wären und sich über die Dummheit von Blondinen echauffiert, bezweckt damit zwei Dinge. Zum einen füttert und fördert man den Parasit „Vorurteil“, den jeder Mensch im Kopf trägt. Zum anderen ist man nun Teil einer Eisbergspitze der menschlichen Psychologie zu einem alltäglichen, facettenreichen Thema mit immer noch bestehenden Ungereimtheiten. Was das alles mit deiner Bewerbung und deiner Karriere allgemein zu tun hat? Wir verraten es dir!
Bevor du loslegst mit Lesen: Du kannst diesen Artikel auch ganz traditionell und stilecht in unserem gedruckten Magazin lesen.

Warum besitzt man Vorurteile?
Vorurteile und Stereotypen haben eigentlich einen ganz einfachen Sinn: Sie sollen dir das Denken erleichtern. Darum kategorisiert der Mensch alles Mögliche und schafft „Schubladen“. Personen werden somit ganz primitiv in z.B. schlau und dumm, dick und dünn, alt und jung, oder Mann und Frau eingeteilt. Zukünftig wird dann einfach das oberflächliche Wissen aus diesen Schubladen gekramt. Eine wahrheitsgemäße Analyse ist scheinbar nicht mehr notwendig und schon hat das Gehirn kaum noch zu arbeiten. Vorurteilhaftes Denken geschieht sogar oft gegen unseren Willen. Forschungen zeigen, dass bereits Babys der eigenen Gruppe mehr Aufmerksamkeit und Vertrauen schenken, als einer fremden. Alle zukünftigen Unterscheidungen und Einteilungen werden durch das soziale Umfeld, die Gesellschaft, Erfahrungen, die Medien usw. geformt und erlernt.
Stereotypen im Bewerbungsverfahren
Auch wenn die Natur sich etwas dabei gedacht hat, den Menschen mit Vorurteilen auszustatten, gibt’s bei dem Thema gesellschaftlich größtenteils nur Nachteile. Man sagt, dass ca. neun von zehn Vorurteile negativ sind. Unglücklicherweise können Bewerbungen (sowohl Schreiben, als auch Gespräch) ein Hotspot für Stereotypen sein. Diese können deine Erfolgschancen schnell auf den Nullpunkt bringen. Es ist erstaunlich, wie drastisch Vorurteile das Verhalten und die Wahrnehmung beeinflussen und verschiedenste Effekte hervorrufen.
Similar-to-me-Effekt
Schon bei deinem Bewerbungsschreiben kann es passieren, dass du abgelehnt wirst. Nur weil du eventuell dem Personaler in keiner Weise ähnlich bist. Dadurch fehlt die Empathie. Deine Hobbys zeugen von Kreativität? Er oder sie kann vielleicht eher mit Rationalität sympathisieren. Das passiert oft unbewusst. Besonders später im persönlichen Gespräch kann das entscheidend sein. Habt ihr allerdings nur ein paar markante Punkte gemeinsam, können deine Chancen dadurch aber schon unglaublich steigen!
Pygmalion-Effekt (Rosenthal-Effekt)
Der erste Eindruck ist entscheidend! Das weiß jeder. Dafür verantwortlich ist unter anderem dieser Effekt. Mit den Informationen, die das Gehirn in den ersten drei Sekunden erhält, versucht es schon ein Urteil zu fällen. Der restliche Eindruck baut damit auf diesem ersten Urteil auf und versucht dieses zu bestätigen. Du gibst einen laschen oder gar keinen Händedruck? Der Personaler wird nun unbewusst hauptsächlich die Informationen aufnehmen, die bestätigen, dass du unaufmerksam bist.
Benjamin-Effekt
Dieser Effekt wird besonders den Frühstartern zum Verhängnis: Je jünger der Bewerber, desto weniger wird ihm zugetraut. Meist unabhängig davon, wie viel Vorerfahrungen und Können du besitzt.
Halo-Effekt
Ein markantes Merkmal an dir kann die Wahrnehmung anderer auf dich manipulieren und all deine anderen Eigenschaften überschatten. Sitzt du zum Beispiel im Rollstuhl, dann kann dein Fachwissen noch so umfassend sein. Der Rollstuhl steht im Mittelpunkt.
Primacy-Recency-Effekt
Du kennst es vielleicht aus dem Alltag. Jemand fragt beispielsweise nach einer Telefonnummer und dir fallen nur noch die ersten paar Zahlen oder die letzten ein. Genau so funktioniert der Primacy-Recency-Effekt. Bei Bewerbungsgesprächen bleiben meist der erste und/oder der letzte Kandidat am besten in Erinnerung. Alles dazwischen verschwindet im Nirwana.
Reihenfolgen-Effekt
Der erste Bewerber entscheidet, wie hoch die Messlatte für die anderen gehängt wird. Stellt er sich als absoluter Spitzenkandidat heraus, wird es schwer für alle anderen, den jetzt festgesetzten Erwartungen für das Gespräch gerecht zu werden. War der erste Kandidat allerdings ein absoluter Reinfall können die folgenden das Niveau kaum unterbieten und kommen umso besser an.
Kontrast-Effekt
Deine Handlung wird in den direkten Vergleich mit deinem Vorgänger oder im Nachhinein mit deinem Nachfolger gestellt. Du warst vielleicht gut, aber der Typ direkt vor Dir – der war Bombe! Und schon gerätst du auf’s Abstellgleis, obwohl du verglichen mit allen Kandidaten vielleicht gar nicht so schlecht abgeschnitten hast.
Logikfehler
Nur weil du viel und gerne redest, heißt es nicht, dass du eine dominante Person bist. Tja, das weiß der Personaler nur leider nicht. Die Informationen werden aus dem, was er wahrnimmt, erschlossen. Der Logikfehler sorgt dafür, dass aus einem bestimmten Verhalten eine komplett falsche Eigenschaft geschlussfolgert wird.
Schubladendenken/Vorurteile
Last but not least: Der Mensch ist unfähig, objektiv zu denken. Darum wird ein Bewerber natürlich sofort in eine Schublade gesteckt. Beziehungsweise wird das vorhandene Mangelwissen über die jeweilige Eigenschaft einfach über die betroffene Person gestülpt. So entsteht das Gefühl, Ihn einordnen zu können. Leider fällt das meist nicht zu Gunsten des Bewerbers aus.
Wie machen sich Vorurteile im Bewerbungsschreiben bemerkbar?
In einer Bewerbungsmappe verrätst du vieles über dich und deine Persönlichkeit. Das ist auch von enormer Wichtigkeit für ein Unternehmen. So können sie einschätzen, ob der Bewerber geeignet ist, um die Ansprüche der jeweiligen Arbeit zu erfüllen. Leider entsteht die erste Einschätzung nicht aber beim Lesen des Motivationsschreibens oder des Lebenslaufs, sondern beim Betrachten des Bewerbungsfotos. Allein das Erscheinungsbild kann einen großen Teil des weiteren Bewerbungsverfahrens ausmachen.
Ein attraktives Männerfoto ist beispielsweise oft gewinnbringend, denn gutes Aussehen wird häufig mit Selbstvertrauen und Erfolg verbunden. Besonders in Berufen mit Kundenkontakt wird hierauf geachtet. Attraktivität ist also sehr wichtig, um überhaupt erst Erfolg haben zu können. Dadurch wird das Klischee ironischerweise häufig noch angefeuert. Ein sehr attraktives Frauenfoto kann allerdings oft zu Misserfolg bei einer Bewerbung führen. Das Schicken von Bewerbungen ohne Bild ist also ratsam (wenn möglich). Bei Männern ist dafür die Körpergröße ein entscheidender Faktor, die aber natürlich im Schreiben noch keine Rolle spielt und wie bereits erwähnt, sorgt bei jungen Menschen der Benjamin-Effekt für Schwierigkeiten. Tattoos und Piercings sind ebenfalls ein kritisches Thema. Zum einen können sie mit Selbstvertrauen assoziiert werden, meistens werden Tätowierte und Gepiercte aber auch mit Kriminalität oder Rebellion in Verbindung gebracht. Für den Arbeitgeber wäre so etwas natürlich eher kontraproduktiv. Für fülligere Menschen kann der Weg bis zum Arbeitsvertrag ebenfalls mit einer breiten Palette an Vorurteilen und Stereotypen bestückt sein. Übergewicht wird oft mit mangelnder Ausdauer oder schlechter Gesundheit assoziiert. Das wäre mit hohen Ausfallzeiten verbunden. Da sich das Schönheitsideal in unserer Gesellschaft auch eher durch Schlanksein definiert, wird Übergewicht allgemein als negativ aufgefasst. Von diesen Vorurteilen sind besonders Frauen betroffen.
In den USA ist es aus diesem Grund schon seit Jahren Gang und Gäbe, Bewerbungen ohne Foto zu verschicken. Leider hilft das aber nur bedingt. So kreieren wir uns nämlich einfach ein eigenes, falsches Bild, anhand der nächstbesten Information, die uns geliefert wird: Dem Namen. Chantal, Uwe, Sieglinde, Kevin, Mehmet – Jeder Name sorgt sofort dafür, dass wir uns eine bestimmte Art von Person vorstellen. Alles basierend auf unseren Vorurteilen, ohne jegliches, echtes Wissen über den Menschen zu haben. Eine Studie der Robert-Bosch-Stiftung zeigt, dass Bewerber mit einem deutschen Namen im Durchschnitt weniger Bewerbungsschreiben benötigen, bis sie zu einem Gespräch eingeladen werden, als Bewerber mit einem ausländischen Namen.
Kann man Vorurteile loswerden?
Das komplizierte an Vorurteilen ist, dass sie sehr beständig sind. Ein Deutscher kann beispielsweise seit Ewigkeiten mit einem Türken befreundet sein und trotzdem noch mehrere Vorurteile gegen Türken hegen. Wird ein Vorurteil also nicht bestätigt, wird die Schublade nicht verschlossen. Stattdessen wird eine weitere geschaffen, die Vorurteile für die „wenigen“ Ausnahmen schafft. Sätze, wie „Er ist Ausländer, aber nett!“ hört man darum leider nicht selten. Widersprüche werden also so zurechtgebogen, dass sie unserem Vorurteil wieder entsprechen.
Auch auf die Betroffenen haben Vorurteile starken Einfluss. Eine Universität in Chicago führte dazu ein Experiment durch. Auf einem Bildschirm erschienen schnell wechselnd Bilder von schwarzen oder weißen Männern. Diese hielten entweder Waffen oder Alltagsgegenstände in den Händen. Die Aufgabe bestand darin, zu schießen, sobald eine bewaffnete Person angezeigt wurde. Aufgrund des schnellen Bildwechsels war die Fehlerquote sehr hoch. Die Testpersonen schossen wesentlich häufiger auf unbewaffnete Schwarze, als auf unbewaffnete Weiße. Interessant ist, dass der Effekt bei allen Teilnehmern, unabhängig von der eigenen Hautfarbe, auftrat. Betroffene übernehmen also auch die an sie gerichteten Vorurteile. Ganz loswerden kannst du deine Vorteile deshalb nicht. Allerdings kannst du sie aktiv überdenken und dich selbst immer wieder darauf aufmerksam machen. Es ist wichtig, zu realisieren, dass sie eine Verzerrung der Realität sind. Dabei musst du nur aufpassen, dass du deine Entscheidungen nicht bewusst umkehrst, nur um dich mit aller Kraft dem Vorurteil zu entreißen.
Hab ich den Job trotzdem?
Wer wären wir denn, wenn wir trotz allem nicht noch ein paar Tipps im Petto hätten? Egal ob Vorurteile oder nicht, von dir persönlich kannst du trotzdem überzeugen!
- Du bist kein Vorurteil!
Mach dich nicht selbst schlecht. Besonders dann nicht, wenn andere dich diskriminieren. Beweis ihnen das Gegenteil! Unterschätzt zu werden ist manchmal die beste Geheimwaffe, um alle aus den Socken zu hauen!
- Kleider machen Leute!
Sehen wir eine Person in einem todschicken Anzug, glauben wir automatisch, einen erfolgreichen Karrieremenschen mit Qualitätsbewusstsein zu sehen. Das kannst du nutzen. Putz dich so richtig raus und schon ist der erste Eindruck ein ganz anderer!
- Wer, wenn nicht du?
Selbstvertrauen ist in fast allen Bereichen der Schlüssel. Wenn du dir selbst vertraust, machen es auch andere. Ein Funke „Wer, wenn nicht ich?!“ und der Job ist dir sicher.
- Sei kein Bettler!
Mach klar, dass du nicht von diesem einzigen Arbeitgeber abhängig bist. Du hast noch mehr Möglichkeiten in der Tasche. Kein Grund sich unter Wert zu verkaufen. Versuch natürlich anständig zu bleiben und sei nicht fies.
- Hab den richtigen Riecher!
Dein Körpergeruch ist wichtiger, als du denkst! Klingt vielleicht komisch, ist aber so. Stell dir vor, du müsstest mit einer nach Schweiß stinkenden Person acht Stunden in einem Büro sitzen! Ein bisschen Eau de Toilette und der Erfolg könnte dein sein.
Selbst die Scheiterpunkte, für die du nichts kannst, sind doch noch beeinflussbar! Hopfen und Malz sind also noch lange nicht verloren. Lass dein Leben nicht von Vorurteilen lenken!
Falls du noch weitere Tipps für deine Bewerbung brauchst, findest du hier mehr:
https://planbar-magazin.de/themen/ausbildung/bewerbung-schreiben/
Hannes F. Jetschick