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Train your Brain

Reportagen

Veröffentlicht am 16.09.2013

Wer mehr Muskeln aufbauen will, kann zum Krafttraining gehen. Wer seinen Körper in Sommerform bringen will, macht einen Bauch-Beine-Po-Kurs. Und wer an seiner Kondition arbeiten will, kann Joggen oder Radfahren gehen. Der Körper lässt sich mit Sport formen und fit halten, aber klappt das auch mit dem Geist? Dr. Kawashima sagt: Ja! Doch nicht erst, seitdem Nintendo auf Grundlage der Erkenntnisse des japanischen Neurowissenschaftlers – den es übrigens wirklich gibt! – 2006 ein Konsolen-Spiel auf den Markt brachte, ist Gehirnjogging in aller Munde.

Bereits in den 1980ern hat sich Siegfried Lehrl von der Universität Erlangen mit dem Training der geistigen Leistungsfähigkeit beschäftigt und 1992 dafür den Begriff des „mentalen Aktivierungstrainings“ (MAT) geprägt. Er entwickelte Übungen, die die Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Merkspanne auf ein „optimales Aktivierungsniveau“ bringen sollten. Heute ist er Vorsitzender der Gesellschaft für Gehirntraining e.V., die er 1989 mitbegründet hat und die sich seither mit den psychischen und körperlichen Einflussgrößen auf die geistige Leistungsfähigkeit beschäftigt.

Von der Geschichte aber nun zur Praxis: wie führt man ein Gehirnjogging eigentlich durch? Zunächst muss man sich in den richtigen Ausgangszustand für die verschiedenen Übungen bringen – also in etwa wie das Aufwärmen vor dem Sport: Wer zu entspannt ist, muss sein Gehirn erst einmal aktivieren, sozusagen auf Betriebstemperatur bringen. Wer aber zu angespannt oder übernervös ist, sollte sich zunächst entspannten, bevor es mit den Übungen los legt. Pro Tag reichen einige Minuten Training, um die Schnelligkeit des Gehirns sowie die Merkfähigkeit zu verbessern. Es gibt Übungen, die entweder die Schnelligkeit oder die Merkfähigkeit trainieren. Bei vielen Übungen werden aber beide Grundgrößen gefördert.

Hier zwei beliebte Basisübungen:

Die Übung „Farbenwort“ trainiert die sogenannte Kurzspeicherkapazität, also die Fähigkeit, eine bestimmte Menge an Informationen unmittelbar zu bearbeiten. Hier ein Test: Sage so schnell wie möglich nacheinander die Farbe dieser Wörter laut auf!

BLAU ROT GRÜN GELB ROT GRÜN

GELB BLAU GRÜN GELB BLAU

ROT GRÜN GELB BLAU SCHWARZ

ROT GELB BLAU ROT GRÜN BLAU

Die Übung „fehlendes Rechenzeichen“ soll vor allem die Konzentrationsfähigkeit schärfen. Los geht’s. Welches Rechenzeichen fehlt?

2 _ 3 _ 4 = 10

5 _ 4 _ 2 = 18

6 _ 3_ 3 = 3

3 _ 7 _ 6 = 15

„Und das soll wirklich etwas bringen?“, fragt sich jetzt vielleicht der eine oder andere Skeptiker. Die Antwort lautet eindeutig: Jein. Die Wirkungen solcher Übungen wurden durch mehrere Studien belegt. Das geistige Training ist tatsächlich förderlich für die Geschwindigkeit und Komplexität der Informationsverarbeitung, die Aufmerksamkeitsleistung und Merkfähigkeit. Auch lassen sich Wörter schneller finden und das Rechnen fällt leichter. Sogar Persönlichkeitsveränderungen ließen sich nachweisen in dem Sinne, dass Menschen, die regelmäßig Gehirnjogging betreiben, psychisch stabiler sind. Und das Gute daran: diese Wirkung ist nachhaltig, das heißt auch mehrere Monate nach einem etwa dreiwöchigen Training konnte die verbesserte Leistungsfähigkeit noch gemessen werden.

Es gibt aber auch Kritik am „Gehirnjogging“. Einige Neuropsychologen meinen, dass Gehirntraining eben nicht mit Muskelaufbau vergleichbar ist, schließlich funktioniert das Gehirn ja viel komplexer. Viel Übung kann zwar helfen, die Leistung in Bezug auf die Übungsaufgaben zu verbessern und diese dann immer schneller zu lösen, aber ob das Geübte schließlich auch im Alltag angewendet werden kann, ist bisher nicht bewiesen. Im Gegenteil: eine britische Studie hat gezeigt, dass sich die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit durch das Lösen von Denksportaufgaben nicht erhöht. Aber selbst, wenn es wohl eine Illusion bleibt, dass man mit „Dr. Kawashimas Gehirnjogging“ und Co. ganz spielerisch seinen Geist schärfen kann – schaden kann es zumindest nicht, und Spaß macht es trotzdem.