Navigation öffnen

The Love Bülow im Interview

Musik

Veröffentlicht am 15.05.2015

Was für ein Konzert! Das BiNuu war beim gestrigen Konzert von The Love Bülow proppenvoll und im Freudentaumel. Auch PLANBAR hat mitgefeiert, aber getreu dem Motto "erst die Arbeit, dann das Vergnügen" noch ein Interview abgegriffen...

Falk und Michel standen uns Rede und Antwort und plauderten aus dem Nähkästchen über ihren musikalischen Weg, das neue Album "Leuchtfeuer", über schwere Zeiten und das Weitermachen, über die Bedeutung von Familie und Freunden, über das Musikbusiness und "vernünftige Jobs" - und darüber, warum intelligente Musiker bessere Musiker sind...

Gleich vorweg eine wichtige Frage, die Loverz auf der Seele brennt: Warum mussten wir drei Jahre auf das neue Album warten?

Michel: Wir waren erstmal ziemlich lange unterwegs und hatten zwei ziemlich intensive Tour-Jahre. Im dritten Jahr haben wir dann beschlossen, dass wir es auf jeden Fall richtig wissen wollen. Doch die Strukturen haben einfach noch nicht so richtig gestimmt. Wir haben dann ziemlich lange nach einem neuen Management und einem neuen Label gesucht, weil wir wussten, wenn wir – wie wir es uns am Anfang versprochen haben – davon leben wollen, dann müssen wir jetzt mal eine Grundreinigung machen und überlegen, was wir dafür brauchen. Es hat halt einfach ein bisschen gedauert, eh die Strukturen so standen, letztendlich auch das Geld dafür bereit war und wir uns sagen konnten, wir haben jetzt nicht nur unseren Sound gefunden, sondern unsere Richtung und wie wir das Ganze angehen wollen.

Das neue Album klingt auch anders als das was ihr davor gemacht habt. Man hört immer ihr seid reifer und erwachsener geworden. Wie würdet ihr mit euren eigenen Worten beschreiben, was das neue an dem neuen Album ist?

Michel: Drei Jahren ist für einen Musiker eine lange Zeit um sich zu entwickeln. Ich denke, dass wir auf jeden Fall reifer geworden sind, auch ein bisschen ruhiger und dass uns nach drei Jahren auch andere Themen beschäftigen als noch vor drei Jahren, wo alles noch sehr positiv war, sehr lebensbejahend und gute Laune-Musik. Jetzt reflektieren wir mehr und sehen, dass es auch scheiß Momente im Leben gibt, die man trotzdem bewältigen muss. Insgesamt ist es tatsächlich ein bisschen düsterer geworden, aber es hat auch viel Positives. Ich glaube aber auch, dass die Arbeit mit unserem Produzenten sehr viel dazu beigetragen hat, dass das Album an sich sehr sehr rund klingt. Es war das erste Mal, dass wir durchgängig mit einem Produzenten gearbeitet haben. Außerdem hat es mehr Geld gekostet und ich finde der Produktion hört man das auch an.

Was ist denn euer Lieblingssong auf der neuen Platte?

Falk: Also mein Lieblingssong ist auf jeden Fall „Kein Zufall“, die erste Nummer auf dem Album, weil die irgendwie so schön treibt, ein cooles Thema behandelt und schon mit dem ersten Song klar macht, dass sich hier etwas getan hat im Sound. Das ist eigentlich ein geiler Song um reinzukommen. Mit dem starten wir auch bei der Tour immer unser Set, das bringt einen gleich in die richtige Stimmung.

Michel: Also ich als alter Emu-Freund mag „Wir sind nicht allein“. Das ist der letzte Song auf dem Album und es ist auch der zwiedeutigste, denn das Thema ist schon sehr dunkel. Es handelt ein bisschen von Suizidgedanken oder dem Gefühl, sich sehr stark allein zu fühlen, obwohl man mit anderen zusammen ist. Davon, dass man trotzdem Halt findet in jemand anderem und auch wirklich sehr dunkle Momente mit seinen Freunden oder mit seiner Familie oder mit einer besonderen Person überstehen kann - und daraus noch mehr wächst. Ich kriege immer sehr viel Gänsehaut bei diesem Song.

Stimmt, auf dem neuen Album findet sich in vielen Songs etwas düsteres, ein Schicksalsschlag oder jemand macht eine blöde Zeit durch. Wie kam es dazu? Verarbeitet ihr da eigene Erfahrungen? Und wie arbeitet ihr eigentlich als Band zusammen? Bringt da jeder seine persönlichen Erlebnisse ein, jeder macht einen Song oder arbeitet ihr alle an jedem Song zusammen?

Falk:  Das ist schwer zu sagen, wie die Texte zustande kommen. Ich schreibe meine Texte ja eigentlich nie auf. Ich denke mir die immer irgendwie zwischen Tür und Angel aus und trällere etwas vor mich hin. Irgendwann ist da diese Zeile, von der ich denke, dass sie cool ist, und da baue ich etwas drum rum. Warum es dann genau so geworden ist, kann ich dir nicht genau sagen. Es ist nicht so, dass wir depri waren in den letzten drei Jahren. Klar wussten wir nicht was kommt und wie es weiter geht – das spielt schon in die Songs mit rein. Ansonsten schaue ich auch immer, was denn musikalisch schon da ist und was thematisch dazu passen könnte. Da gab es einfach ein paar Riffs, die ein bisschen melancholischer waren als sonst...

Michel: Falk ist ja so ein positiver Mensch durch und durch. Ich dagegen bin eher von Singer-Songwritern geprägt, die sehr tiefe Geschichten erzählen. Ich glaube diese Mischung zwischen diesem Schweren und diesem Leichten kommt bei dem Album sehr sehr gut durch und lässt das Ganze auch atmen. Dieses Unterwegs sein hat an sich etwas melancholisches, was diese Musik auch trägt, das verbindet. Es macht Sinn, alles greift sehr stark in einander: die Harmonien, die Musik und der Text… Und Song entstehen bei uns immer so, dass jeder von uns seinen Input rein gibt, ob es ein Riff ist oder ob Juri am Bass einen schönen Groove hat und wir steigen mit ein und versuchen was drum herum zu bauen, oder ob es schon ziemlich fertige Songs sind, die wir versuchen als Band umzusetzen – das ist sehr unterschiedlich. Aber wir sind eine sehr demokratische Band, das heißt alles ist erstmal erlaubt und wir suchen aus allem das Geilste zu machen was geht. Und wenn wir am Ende dann merken das ist gar nicht so Love Bülow oder das ist nicht so das Ding, dann hat es nicht sollen sein.

Du hattest vorhin angesprochen, dass so ein Album ja auch finanziert werden muss. Für „Leuchtfeuer“ habt ihr euch fürs Crowdfounding über start next entschieden. Wie kam es dazu?

Michel: Naja, wenn du dich dafür entscheidest, nicht zu einem Majorlabel zu gehen, was relativ viel Geld hat, aber was du auch sehr sehr hoch bezahlst, dann ist das eigentlich ein logischer Weg für uns. Wir haben eine sehr sehr starke Fanbasis. Das Schöne am Crowdfounding war halt für uns, dass die Leute die CD halt vorher kaufen, ohne zu wissen was es ist. Es ist ja kein Almosen. Und für unsere Arbeit bedeutete das: wir haben jetzt aber auch die Verantwortung das beste Album zu machen, das wir jemals gemacht haben.

Du hast eure Fanbasis schon angesprochen, „Fanfamilie“ muss man ja sagen, denn ihr seid ganz eng verbunden mit euren Fans. Auf Konzerten wie heute seid ihr den Fans ganz nah, ihr habt aber auch schon auf großen Festivals gespielt wie dem Greenville? Worauf habt ihr denn mehr Bock: große Festival-Auftritte oder Club-Konzerte?

Falk: Also Bock haben wir sowieso auf alles, was irgendwie mit live spielen zu tun hat. Ich glaub die Mischung macht es tatsächlich aus. Also auch mal in Frankfurt oder so zu spielen, wo einen eigentlich keine Sau kennt, und trotzdem kommen da hundert Leute und man fragt sich, wo die eigentlich her kommen. Was sind das für Leute und wie ticken die? Woher kennen die uns? Wir finden es immer total spannend das rauszufinden. Aber es ist auch gut bei einem Festival mal wieder eine größere Masse für sich gewinnen zu können, die einen vorher vielleicht gar nicht auf dem Zettel hatte. Die großen Sachen sind auch geil, wenn man da sieht, wie es hinter den Kulissen läuft: da läuft man dann vielleicht dem einen oder anderen bekannten Künstler über den Weg. Solche Club-Touren erden einen dann aber auch immer wieder. Du musst hier um jeden einzelnen Zuschauer kämpfen und sie bei der Stange halten, damit sie auch wieder kommen.

Michel: Da kann ich Falk nur zustimmen: Die Mischung macht es auf jeden Fall. Für mich ist es vor vielen Leuten schön, weil es einfach effizient ist, es bekommen halt super viele Leute mit. Und ich glaube, je mehr Leute im Publikum sind, desto leichter lassen die sich auch anstecken. Bei einem kleinen Gig, wo weniger Leute sind, ist es manchmal einfach ein bisschen schwieriger die richtige Atmosphäre zu schaffen. Aber wir lieben Wohnzimmergigs genauso wie in der großen Arena zu stehen. Im Sinne davon, dass wir davon leben wollen, wäre natürlich eine Arena-Tour 2016 schon geiler als 2016 Wohnzimmerkonzerttour. Also wir wollen das eigentlich schon amtlich und groß machen…

Aber nun noch mal ganz viele Schritte zurück: war es eigentlich immer schon ein Kindheitstraum von euch Musik zu machen, oder wie seid ihr dazu gekommen, dass ihr diesen Weg so eingeschlagen habt?

Michel: Naja, Falk hat ja schon eine steile Karriere hinter sich im Schlagersektor…

Falk: Ja, ich bin ja quasi seit ich sechs bin nur am Musik machen und von daher hat sich für mich nie so die Frage gestellt. Ich sehe das als komplettes Glück an, weil ich so viele Leute kenne, die eben erst mit 25 merken wo sie eigentlich hin wollen und dann halt erst vollkommen bei null anfangen. Ich bin extrem froh, dass ich ziemlich schnell gleich das gefunden hat, worin ich meine komplette Passion sehe. Und nach wie vor bin ich extrem heiß drauf als Musiker meine Brötchen zu verdienen und baue mein komplettes soziales und berufliches Leben so auf, mache immer Jobs, die mir die Freiheit lassen nebenbei Musik zu machen.

Und wie bist du da reingerutscht?

Michel: Ich habe erst mit 16 angefangen Musik zu machen. Davor war ich viel skaten und hab Kampfsport und so gemacht. Meine kleine Schwester hat damals eine Gitarre geschenkt bekommen, und als ich die Gitarre dann in der Hand hatte, musste ich erstmal zwei Jahre im Keller üben, weil meine Mutter gesagt hat es ist so schrecklich und die Nachbarn hätten sich beschwert [lacht] Wir hatten auch nie wirklich Geld für Musikunterricht, das heißt ich habe zehn Jahre lange eigentlich so Musik gemacht. Meine Freunde und ich haben relativ schnell eine Band gegründet und seitdem hab ich viel gespielt und auch viele Soloprojekte gemacht. Vor sieben Jahren habe ich dann den Falk kennengelernt und wir wollten beide schon immer mal live Hip Hop machen. Wir haben relativ schnell gemerkt, dass das was ziemlich einzigartiges ist. Und dann haben wir uns die anderen Leute noch zusammengesucht und seitdem sind wir am Start.

Wie ist es denn, wenn man schon mit 6 Jahren sagt, man möchte Musik machen, oder mit 16 erst anfängt, und es die Eltern nicht so gut finden: hattet ihr trotzdem immer den Rückhalt von den Eltern bei diesem Traum, Musik zu machen? Standen sie hinter euch oder hieß es eher: Junge, lerne doch lieber etwas Vernünftiges?

Falk: Also meine Eltern sind echt so meine absolute Basis und spitze! Ich habe ein mega enges Verhältnis zu meinen Eltern, auch wenn ich nicht jedes Wochenende zum Kaffee da bin oder jeden zweiten Tag anrufe. Meine Mutter hat so viele Stunden im Auto verbracht um auf mich zu warten während ich irgendwo eine Probe hatte und hat sich nie beschwert, wenn ich mit meinem Kumpel zuhause Musik gemacht habe nachts um zwei. Da hab ich mega krasses Glück einfach, und das weiß ich auch total zu schätzen.

Michel: Meine Mutter war immer sehr sehr tiefenentspannt. Ich durfte schon mit 13 so lange raus wie ich wollte, hab eigentlich immer das gemacht was ich wollte. Mit 17 hat meine Mutter meinen ersten Plattenvertrag für mich unterschrieben… Es ist schon wichtig, dieses Vertrauen zu haben, dass sie weiß, dass ich schon weiß, was ich da mache. Ich glaube auch ohne funktionierendes Familienverhältnis fehlt einem oft der Halt zur Realität, denn gerade wenn man sehr viel Musik macht, bist du in so einer anderen Szene drin und hast eine ganz andere Realität, weil du ja mehr nachts unterwegs bist.

Hätte es denn für euch auch einen Plan B gegeben, wenn es mit der Musik nicht so geklappt hätte?

Falk: Also wir haben ja alle unser Studium durchgezogen und abgeschlossen, das nichts mit Musik zu tun hat. Außer bei Michel, er hat Musikpädagogik studiert. Und Jakob Keyboard. Ich hab etwas Verwandtes studiert, Kulturmanagement, und arbeite auch in dem Bereich. Damit würde ich schon auch glücklich werden. Das ist uns allen auch wichtig, nicht so naiv zu sein und zu denken, man wird jetzt Superstar. Aber klar, zurzeit noch sind alle Fühler in diese Richtung gestreckt.

Würdet ihr jungen Leuten, die auch den Traum haben, Musik zu machen, zur Sicherheit auch immer eine Ausbildung oder ein Studium raten? Oder sollte man ruhig alles für seinen Traum riskieren?

Michel: Also da zitiere ich immer meine Kollegin von der Musikschule Neukölln. Sie macht Studienvorbereitung und berät Leute, die Musik studieren wollen. Ich habe sie mal gefragt, worin sie ihre Kernaufgabe sieht, und sie hat da ganz treffen gesagt: „Ich versuche eigentlich alles, um junge Menschen davon abzuhalten Musik zu studieren.“ Da habe ich gesagt: „Aber du bereitest doch Leute darauf vor!“ Und sie: „Ja, aber die Leute, die sich nicht davon abhalten lassen, haben dann auch den Biss um das durchzuziehen.“ Es gibt eben auch relativ wenig Geld im Musikbereich, das ist ganz klar. Es gibt viel zu viele Musiker für viel zu wenig Geld. Und ich glaube da muss man ganz realistisch sein. Ich glaube aber auch, dass harte Arbeit sich am Ende immer auszahlt. Ich würde aber zu jedem, der Musik liebt und sich nicht anderes vorstellen kann, sagen: Dann mach‘ das als dein Hobby, denn dann redet dir da niemand rein, dann ist es deins, dann kannst du Auftritte machen wie du willst, dann ist das Geld auch nicht so wichtig und du hast dann auch einen Job, der dir deine Instrumente finanziert und so weiter. Aber wenn du sagst, dass du nicht ohne Musik leben kannst und es das einzige ist, was du in deinem Leben tun willst, dann geht es glaub ich ganz automatisch. Denn dann atmest du, lebst du, isst du, schläfst du Musik und dann kann sich das auch nicht ändern. Allen anderen würde ich allerdings sagen: Macht was ordentliches. [lacht]

Falk: Ich denk auch immer so, wenn man irgendwann mal an dem Punkt ist, wo man damit Geld verdient, dann braucht man sich die Frage nicht mehr stellen. Wenn man aber an dem Punkt noch nicht ist, dann kann man das aber auch super vereinen mit einem anderen Job. Man muss natürlich einen Job finden, der flexibel genug ist, dass auch mal unter der Woche was machen kann. Aber ich glaube, man kriegt das schon beides irgendwie unter einen Hut.

Also wenn man mit 15 die Flausen im Kopf hat, Profimusiker zu werden, sollten man trotzdem auch ein bisschen Deutsch und Mathe lernen und sich in der Schule ein bisschen Mühe geben, damit man noch was in der Hinterhand hat?

Falk: Klar, sonst wirst du als Musiker eh über den Tisch gezogen! Du musst zwar also Musiker keine Graphen berechnen, aber wenn dir am Ende einer deine Merchandise-Kasse abrechnet, solltest du schon wissen, was du da verkaufst…

Michel: Außerdem: Intelligente Musiker sind auch die besseren Musiker. Denn um gute Texte zu schreiben, musst du auch einen relativ guten Sprachschatz haben, musst gut kommunizieren können, musst aufnahmefähig sein, musst Sachen verarbeiten können. Und du bist ja ständig mit Menschen unterschiedlichster Couleur zusammen, und wenn du die nicht verstehst, dann macht das auch einfach keinen Spaß. Und Allgemeinbildung hilft immer. Ich sag nicht, dass Abitur dich schlauer macht, aber es gab mir auf jeden Fall gut Zeit, um nebenbei Musik zu machen. Bildung ist definitiv wichtig, aber ich sag zu meinen Gitarrenschülern immer: Schule geht vor, wenn du Hausaufgaben hast, machst du bitte erst die Hausaufgaben und danach übst du.