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Tanzen ist eine Herausforderung…

Afterwork

Veröffentlicht am 15.09.2014

...Das Schöne daran – es ist nie zu Ende! Ein Interview mit Shirley Cordula Meissner, Tänzerin am Lüneburger Theater

 

Sie sind die jüngsten Studenten Deutschlands. Bereits mit 11 Jahren beginnen viele Schüler der Palucca Hochschule in Dresden, ein schulbegleitendes Studium im Bühnentanz. Der Realschulabschluss, gekoppelt mit dem Bachelor  wird in 13 von 16 Bundesländern als Abitur anerkannt. Die 21-jährige Shirley hat letztes Jahr ihre Ausbildung abgeschlossen. Nun hat sie den Bachelor of Arts im Bühnentanz in der Tasche und tanzt seit August am Lüneburger Theater

 

Planbar: Was ist Tanzen für dich?

Das ist schwierig. Tanz hat für mich ganz viele verschiedene Reize. Da ist einmal die Herausforderung und dass es so lebendig ist. Es ist nie zu Ende. Auch wenn man einmal eine gute Vorstellung hatte, es kann immer etwas besser sein. Kein Tag ist wie ein anderer. Man weiß nie, was der Tag bringt. Auch bei den Vorstellungen können die Kostüme kaputt gehen oder die Musik ausfallen. Was ich noch schön finde, ist dass es unkontrolliert ist. Dein Körper reagiert immer anders und ist beeinflussbar. Und das ist das Interessante an dem Beruf, dass man mit etwas arbeitet, was so schwer greifbar ist.

Planbar: Was tanzt du am liebsten?

Ich habe nichts, was ich absolut favorisiere. Ich hab mich immer als Tänzerin gesehen. Heutzutage ist es schwer einzuteilen. Ich finde es schön zu sagen, dass man einfach gerne tanzt. Aber im Zeitgenössischen kann man freier und mehr sich selbst sein. Im Klassischen ist man mehr in eine ästhetische Form gepresst, weil die Leute eine genaue Vorstellung davon haben wie eine Ballerina aussehen muss. Was eigentlich Schwachsinn ist. Aber ich liebe das Klassisch auch wegen der Herausforderung.

Planbar: Wann hast du gemerkt, dass du dein Leben dem Tanz widmen möchtest?

Damals stand ich vor der Entscheidung, ob  ich nach der 4. Klasse auf das Gymnasium wechsle oder die Realschule besuche. Auf das Gymnasium konnte ich noch nicht, weil ich damals noch nicht so gut war. Da ich schon seit ich 8 Jahre alt war, Ballett hobbyweise gemacht habe, war die Palucca Schule eine sehr gute Option. Es war eine Mittelschule mit kleinen Klassen und hatte trotzdem ein gutes Niveau. Im schulischen wird auch mehr gemacht als an einer normalen Mittelschule. Damals wusste ich noch nicht dass ich es professionell machen will. In der 8. Klasse habe ich mir das erste Mal gedacht, dass ich das immer machen will.

Planbar: Wie sah die Aufnahmeprüfung aus?

Bei der Aufnahmeprüfung musste man Flexibilität beweisen, Improvisationsaufgaben erfüllen und Fantasie zeigen. Zum Beispiel, indem wir wütend oder freudig tanzen sollten. Ich war schon immer ein sehr quirliges und extrovertiertes Kind und habe mich sehr viel bewegt.

Planbar: Wie anstrengend ist der Spagat zwischen Schulausbildung und Tanz?

Es ist schon hart. Durch das Training und die normale Schule hatte man doppelte Belastung. Man kann bis heute nicht machen was man will, da man immer trainieren und fit bleiben muss und nicht einfach faulenzen kann. Dazu kommt noch, dass man viel am Wochenende und spät abends arbeitet. Das gefällt einem, gleichzeitig aber auch nicht. Damals haben die Lehrer schon Rücksicht genommen. Es gab keine unangekündigten Kurzkontrollen und nicht so viel Hausaufgaben. Aber die Schule war auch ein Ausgleich zum Training. Das fehlt mir jetzt manchmal. Deshalb gehe ich jetzt öfters in die Volkhochschule oder in die Bibliothek.

Planbar: Gab es ein Konkurrenzverhalten an der Palucca-Schule?

Offiziell nein. Aber es gab unglaublich viel Konkurrenz. Der Neid begann schon, wenn die eine im Unterricht mehr korrigiert oder gelobt wurde als die andere. Natürlich auch am Ende bei der Job-Vergabe. Ich habe es selbst erfahren. Die Vortanzen beginnen meist erst im Januar und ich hatte bereits im Oktober einen Vertrag unterschrieben. Somit hatte ich einen Job, bevor die anderen sich vorstellen konnten. Da gab es unendliche Neider. Ich habe es aber nicht an die große Glocke gehangen.

Planbar: Muss man sich als Tänzer an eine strenge Ernährung halten?

Als ich angefangen habe zu tanzen fand ich es lächerlich, dass sich alle Tänzer so viel Gedanken über ihre Figur machen.  Aber mit den Jahren, wenn man in so einer Fabrik drin ist und alle nur davon reden, fängt man auch an darüber nachzudenken. Das ist eine richtige Gehirnwäsche. In der 9. und 10. Klasse habe ich immer überlegt, was Shirley-Cordula Meissner, Tänzerin am Lüneburger Theaterich esse und war sehr diszipliniert. Teilweise habe ich Liegestütze nach dem Essen gemacht. Ich war überhaupt nicht glücklich, weil ich mich nur kontrolliert habe. Eine aus meiner Klasse musste auch in die Klinik, weil sie an Magersucht erkrankte. Das hat mir auch geholfen zu verstehen, dass das so nicht gehen kann. Von da an hab ich gegessen worauf ich Lust habe. Aber ich bin sehr kritisch, was meine Figur angeht. Ich mache noch extra Sport und gehe jeden zweiten Tag ins Fitnessstudio. Aber das brauche ich auch für mich. Dafür kann ich dann essen was ich will.

Planbar: Vom wem ging diese Kontrolle aus?

Der Druck kam von anderen Mitschülern aber auch von Lehrern die Sachen gesagt haben wie: “Guck mal die hat gar keine Brüste, so muss es sein”


Planbar: Welches war das schönste Erlebnis an der Palucca-Hochschule?

Besonders das letzte Schuljahr  bleibt mir in Erinnerung. Wir waren eine Woche in Toronto in Kanada, an der National Ballet School. Es wurden 7 Studenten ausgesucht. Dort haben sich 19 internationale Balletschulen getroffen und gemeinsam ein Stück aufgeführt.

Planbar: In wie fern hat die Ausbildung an der Palucca-Schule deine Persönlichkeit verändert?

Der Mensch verändert sich generell im Lauf des Lebens. Ich werde immer diesen Tick mit dem Essen haben. Aber die Disziplin, die Routine und Acht auf den Körper zu geben, wurde mir besonders in der Tanzausbildung mitgegeben.

Planbar: Was wirst du tun wenn dein Körper nachgibt, zum Beispiel auf Grund von Verletzungen?

Ich war zum Glück noch nie verletzt. Aber es gibt immer wieder schlimme Verletzungen. Es ist wichtig wie viel Prävention man leistet. Zum Beispiel Muskeltraining im Fitnessstudio oder auch mal andere Muskelgruppen trainieren,  um den Muskel von allen Seiten zu stützen. Dennoch kann man auch einfach Pech oder schlechte Gene haben. Ich habe für später vieles im Kopf. Aber das ist jetzt schwer zu sagen, weil ich dann vielleicht schon wieder ganz andere Pläne haben werden.

Planbar: Was ist dein größtes Ziel?

Ich bin sehr wissbegierig und will immer weiterkommen. Mein Ziel ist der Weg. Jeden Tag, das meiste aus dem Tag zu machen und nicht stehen zu bleiben. Und dann ergibt sich auch was, wenn man an sich arbeitet.

Planbar: Was glaubst du ist die wichtigste und beste Weisheit, die du angehenden Tänzern auf den Weg geben kannst?

Sich das gut zu überlegen 😉 Es gibt viele Tänzer, die nur tanzen weil sie es schon so lange machen und dann aus den Augen verloren haben, was sie eigentlich wollen. Es ist auch schwierig den Mut zu haben, etwas anderes zu machen. Und auch was? Viele haben keine richtige Schulausbildung. Und wissen gar nicht was es noch so gibt.

 Fotos: Nico Socha