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Den ganzen Sommer am Strand baden? Weshalb nicht am Strand radeln?

Leben

Veröffentlicht am 26.07.2018

Letztes Jahr im Sommer setzt Louis Tegethoff (18) zusammen mit seinen Eltern und seinem Cousin seinen Plan, die Ostsee mit dem Fahrrad zu umrunden, endlich in die Tat um. Von Helsinki fährt er zurück bis in seine Heimatstadt Berlin. PLANBAR hat er von seiner spannenden Reise erzählt. 

Schnell einmal drüberschauen, Fehler korrigieren, nachsehen ob ich auch auf jedem Blatt meinen Namen notiert habe und fertig. Die letzte Klausur meiner Schullaufbahn ist geschrieben. Ändern lässt sich am Ergebnis jetzt sowieso nichts mehr. Mein Gefühl sagt mir: Es wird wohl keine 1 werden, aber ich bin mir dennoch sehr sicher eine solide Leistung abgeliefert zu haben. Ich gehe, nein, man kann schon fast sagen ich stolziere aus der völlig stickigen Aula und blicke einem sorgenfreien Sommer entgegen, der wohl längste Sommer meines Lebens. Ich sage zu mir: „Louis, die nächsten 3 freien Monate, die müssen deine erlebnisreichste Zeit werden!“ Die Zeit in die Playstation zu investieren wäre ein Ansatz – ich würde sicherlich ein paar Level aufsteigen in dem ein oder anderen Spiel, aber will ich das? Nein! Und ich habe mir auch schon einen Plan zurechtgeschneidert. Etwa ein halbes Jahr vorher begann ich mit der Planung meiner Fahrradtour von Helsinki in Finnland bis zu mir nach Hause nach Berlin. Den Plan setze ich diesen Sommer in die Tat um!

Jeden Abend heißt es für Louis Nachtlager aufschlagen und Kräfte für den nächsten Tag sammeln.

Endlich auf den Sattel schwingen

Und dann geht es endlich los. Flugzeug und Fahrrad, das ist mir zu umständlich. Also nehme ich die 30-stündige Fährfahrt von Travemünde nach Helsinki auf mich. Auf Deck treffe ich einen finnischen Radler, der mit seinen 65 Jahren auf dem Rückweg von seiner Lissabon-Berlin-Radtour ist. Trotz meiner 2000 km, die ich in den nächsten Wochen zurücklegen werde, fühle ich mich irgendwie klein. Mein Eifer, sich endlich auf den Sattel zu schwingen, steigt nach seiner ganzen Schwärmerei noch viel mehr.

Doch in Helsinki heißt erst einmal erneut: Öde, langweilige Fähre. Diesmal Richtung Tallinn, der Hauptstadt Estlands. Sie soll mein Herz gewinnen. Die Innenstadt ist wie ein frei zugängliches Museum. Eine komplett erhaltene Stadtmauer mit Schutztürmen umrahmt die typischen baltischen Altbauten. Schnell noch einen frischen Fisch zur Stärkung und dann ab entlang der Ostsee Richtung Riga.

Malerische Siedlungen mitten im Wald

Ich habe bisher gedacht, in Brandenburg wären wir mit Wald gut bestückt, doch hier werde ich eines Besseren belehrt. Auf den teils sehr schlechten Schotterpisten geht es kilometerweit durch sattes Grün. Mitten in den tiefen Wäldern trifft man auf kleine malerische Siedlungen, bei denen man sich fragt, weshalb die dortigen Leute so weit abseits von der nächsten Stadt wohnen. Allerdings leben die Menschen auch in einer wunderschönen Idylle, ein wahrer Traum.

Louis mitten in den Dünen von Nida.

Merke: Radlerhosen sind empfehlenswert

Ausreden gibt es also nicht: Auf dem Fahrrad geht es weiter über Riga nach Kaliningrad, einem kleinen Zipfel zwischen Litauen und Polen, der jedoch zu Russland gehört. Jetzt habe ich schon die ersten 1200 Kilometer in den Beinen. Mittlerweile bin ich auch sehr froh, dass mein Onkel mich davon überzeugen konnte, eine Radlerhose einzupacken. So konnte ich mir ohne weitere Gesäßschmerzen die russische Hafenstadt ansehen. Wer hier eine Fülle von Sehenswürdigkeiten erwartet, der muss enttäuscht werden. Es ist eine Stadt, der sehr anzumerken ist, dass sie im Zweiten Weltkrieg des Öfteren im Mittelpunkt stand. Doch eben dieser Aspekt macht die Stadt so interessant. Einen völligen Gegensatz stellen die Wanderdünen von Nida da. Meterhohe Sanddünen erstrecken sich direkt am Wasser.

So oder so ähnlich muss es wohl in der Sahara aussehen – glaube ich zumindest.

Spaßfaktor im strömenden Regen: null

In Danzig komme ich mit vollgeregneten Klamotten an. Die Hoffnung auf Wetterbesserung verpufft spätestens nach der zweiten Übernachtung in der supernetten urigen Pension. Letztlich entscheide ich mich, ein Stück mit dem Zug zu fahren. Der Spaßfaktor liegt beim strömenden Regen einfach bei null. Nach der kleinen Schummelei kann ich die Heimat schon fast riechen und so fahre ich die letzten Tage besonders motiviert über die im Sommer völlig überfüllten Küstenorte nach Berlin. Ich komme an und fühle mich nicht erschöpft – nein, die Überflutung von Eindrücken ließ nur selten Zeit für Erschöpfung. Von größtem Reichtum in noblen Villenvierteln über erschreckender Armut in Außenbezirken, von feinsten Nationalgerichten bis hin zu gewöhnungsbedürftigen Naschereien durfte ich in diesen 30 Tagen alles erleben. Mein persönliches Highlight: Ich bin einem wilden Elch auf wenige Meter nahe gekommen – dies hätte mir nicht mal die Playstation bieten können.