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„Man sollte fähig sein, einem Menschen in die Augen zu schauen.“

News rund um die Ausbildung

Veröffentlicht am 14.09.2015

Interview mit Daniela Berntsen, seit 2002 Mitarbeiterin in der Reha Vita, leitende Physiotherapeutin und Betreuerin Ausbildung (Praxisanleiter)

Ist der Physiotherapeut ein klassischer Männerberuf?

Ich dachte gar nicht, dass dem Beruf des Physiotherapeuten das Klischee eines Männerberufes angehangen wird. Ich bin überrascht, davon zu hören. Meines  Erachtens nach geht das Klischee eher in die Richtung typischer Frauenberuf, aber das stimmt ganz und gar nicht, denn die Vielfalt in dem Beruf des Physiotherapeuten ist sehr breit gefächert, sodass man mit beiden Vorurteilen aufräumen kann. Der typische Männerbereich ist dann wahrscheinlich eher die Richtung Sport. Hier in unserem Haus bestehen die Mitarbeiter in etwa zur Hälfte aus Frauen und aus Männern.

Welche Unterschiede gibt es zwischen den Berufen Masseur und Physiotherapeut?

Unsere Masseure im Haus haben eine Ausbildung als Masseur und medizinische Bademeister absolviert. Das heißt, sie wurden geschult in verschiedenen Massagetechniken und in medizinischen Anwendungen, welche mit Wasser zu tun haben (Kneippsche Güsse, Stangerbäder, etc.). Aber auch ein kleiner Teil der Thematik Krankengymnastik wird während der Ausbildung vermittelt. Bei uns arbeiten die Masseure im Wellness-Bereich, bieten, also zum Beispiel Hot-Stone-Massagen oder Ayurveda-Massagen an. Aber auch Strombehandlungen, Lymphdrainagen und natürlich klassische Massagen gehören dazu.

Physiotherapeuten arbeiten eher in der Richtung manuelle Therapie und Krankengymnastik, decken den praktischen Bereich ab. Das Ziel in der Therapie ist es natürlich immer, den Patienten zu aktivieren und keine rein passive Behandlung zu geben. Physiotherapeutische Behandlungen müssen von einem Arzt verordnet werden.

Ist der Beruf körperlich anstrengend?

Es ist ein sportlicher Beruf, das auf jeden Fall. Und meiner Meinung nach ist es auch der gesündeste Beruf überhaupt. Da wir einen schönen Wechsel zwischen Be- und Entlastung haben. Wenn man acht Stunden am Schreibtisch sitzt, ist es belastender. Körperliche Fitness sollte man allerdings mitbringen, da man die Sachen, die man von den Patienten abverlangt, auch vorzeigen können sollte. Wenn man selbst kein Körpergefühl hat, wie soll man dann den Patienten motivieren, seinen Körper mit etwas Sport zu pflegen? Das bewusste Körpergefühl steht an erster Stelle. Sportliche Fitness unterstützt einen natürlich dabei und macht es ein bisschen leichter, ein Gefühl für seinen Körper zu bekommen.

Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen, wenn man diesen Beruf erlernen will?

Man sollte fähig sein, einem Menschen in die Augen zu schauen, da man sehr nah mit Menschen zusammen arbeitet. Eine gewisse soziale Kompetenz darf dabei nicht fehlen. Man darf auch keine Scheu oder Angst vor Menschen haben. Lust mit Menschen zu arbeiten und das Ziel zu haben, zusammen mit den Patienten Strategien zu entwickeln, die förderlich sind für eine Heilung oder den Erhalt der Gesundheit. Schön ist es, wenn man die Fähigkeit besitzt Menschen motivieren können.

Über welche Ausbildungswege kann ich Physiotherapeut werden?

Es gibt die schulische Ausbildung zum Physiotherapeuten, die durch Praxisphasen ergänzt wird. Dabei gibt es staatliche und private Schulen. Bei privaten Schulen muss man die Kosten selbst übernehmen. Dies kann aber durch BaföG abgedeckt werden. Dann gibt es das Studienfach Therapiewissenschaften. Das Studium dauert vier Jahre und am Ende hat man zwei Abschlüsse: einmal den Bachelor of Science und den Abschluss als staatlich anerkannte/r Physiotherapeut/in. Dieses Studium kann man auch an der BTU Cottbus-Senftenberg absolvieren. Im Anschluss kann man  einen Master-Abschluss anstreben.

Gibt es Unterschiede bei der späteren Berufswahl, wenn man sich für eine Ausbildung oder ein Studium entscheidet oder macht das am Ende keinen Unterschied?

Nach dem Studium geht es für die meisten eher in die Richtung Forschung, das heißt, man versucht nachzuweisen, ob die angewandten Techniken sinnvoll sind oder nicht. Das Studium befähigt die Absolventen, für die Steuerung und Gestaltung von hochkomplexen Therapie- und Berufssituationen Verantwortung zu übernehmen und diese auf der Grundlage wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse zu gestalten und zu evaluieren.

Wo kann man als Physiotherapeut arbeiten?

Die Wahl des späteren Arbeitsplatzes ist vielfältig. Man kann unter anderem in Krankenhäusern, in einem Sportverein oder in einer kleinen Praxis arbeiten, wahlweise sich selbstständig machen. Man kann aber auch einen ganz anderen Weg einschlagen und beispielsweise in einer Schule für geistig- und körperlich behinderte Menschen arbeiten. Die Reha Vita ist in diesem Falle eine ambulante Rehabilitation, wir haben auch eine Physiotherapie,  ein Gesundheits- und Fitnessstudio und einen Wellnessbereich.

Welche Weiterbildungsmöglichkeiten gibt es für Physiotherapeuten?

Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, da die Vielfalt wirklich groß ist. Es kommt darauf an, mit welcher Art von Patienten man zusammen arbeiten möchte. Also zum Beispiel mit Kindern, mit neurologisch erkrankten Patienten, orthopädischen Patienten oder doch eher mit Sportlern? Die Bandbreite von Fortbildungsmöglichkeiten ist wirklich vielfältig.

Was motiviert Sie denn persönlich?

Die Erfolge bei den Patienten, ganz klar! Das ist wirklich schön zu sehen, wie man den Körper eines Menschen verändern und an welchen Stellschrauben man drehen kann. Es ist unheimlich faszinierend, welche Veränderungen und Fortschritte man bei den Patienten erreichen kann und welches Potenzial der Körper so in sich trägt.

Und wie handeln Sie, wenn die gewünschten Erfolge ausbleiben? Oder bei Rückschlägen?

Um den gewünschten Erfolg zu erreichen, brauche ich einen Patienten, der definitiv mitarbeitet. Das ist das Wichtigste und das ist auch das, woran es manchmal hapert. Man kann den Körper nicht einfach nur als Körper ansehen, es steckt ja auch ein Bewusstsein dahinter. Und manchmal gibt es Dinge, die den Patienten hemmen, mitzuarbeiten und gesund zu werden. Die besten Therapien helfen nicht, wenn der Patient nicht mitmachen kann. Rückschläge nehme ich nicht persönlich, denn ich bin ja kein Mensch, der alle Menschen heilen kann. Wir versuchen, zusammen mit den Patienten, das Beste zu erreichen, wenn das ausbleibt, gibt es Gründe dafür. Es gibt Krankheiten, die einfach nicht heilbar sind. Da ist der Erhalt des Zustandes oder der Erhalt der Selbständigkeit ein Erfolg.

Wie sehen bei Ihnen die Arbeitszeiten aus? Arbeiten Sie im Schichtdienst?

Die Arbeitszeiten sind hier im Haus sehr individuell gestaltet. Ich bin Mutter von zwei Kindern, mein Mann ist selbstständig und ich muss mich da natürlich ein bisschen nach den Öffnungszeiten der Kitas richten. Unsere Chefs sind sehr bemüht, dass Beruf und Familie vereint werden können, daher besteht die Möglichkeit einer individuellen Anpassung der Arbeitszeiten. Gebraucht werden Therapeuten bei uns im Haus bis 20 Uhr, denn die meisten Patienten kommen nach der Arbeit zum Sport (ist sogar möglich bis 21.00 Uhr) oder zur Behandlung. Ein Beispiel für ein klassisches Schichtsystem (ohne individuelle Anpassung) bei uns im Haus ist Montag und Mittwoch in der Frühschicht (7.00Uhr-15.30/16.00Uhr) und Spätschicht (Dienstag und Donnerstag von 11.30 Uhr bis 20.00Uhr. Das wäre ein ganz normaler Schichtplan. Beide Schichten sind im Wechsel, sodass man an einem Tag ganz lange Zeit hat bis zum nächsten Arbeitsbeginn.

Was machen Sie zu Hause, um zu entspannen?

Viele Mitarbeiter in unserem Haus nutzen als Ausgleich zum Alltag unsere Trainingstherapie zum Sport machen. Mein Mann und ich gehen zusammen nach der Arbeit auch gern her, um unsere Körper sportlich zu pflegen. Natürlich versuche ich auch zu Hause, aktiv etwas gegen eventuell auftretende Beschwerden zu tun, so wie ich es meinen Patienten vermittle. Die schönste Entspannung ist für mich Tai-Chi. Ich bin selbst Tai-Chi Lehrerin und gebe Unterricht und das trainiere ich auch zu Hause.