VEGGIE WEEK: Don’t call it Schnitzel.
Afterwork
Ich bin ganz ehrlich. Ich bin nicht wirklich ein (Achtung!) eingefleischter Vegetarier. Vermutlich betreibe ich die heuchlerischste Art des Vegetarismus. Ich bin Pescetarier. Das heißt, ich esse Meeresgetier, aber kein Fleisch. Ich würde lügen, würde ich sagen, dass mir Fleisch nicht schmeckt. Es riecht gut und es schmeckt lecker. Leider bleiben das die einzigen beiden Pro-Argumente für mich. Aber spulen wir erstmal ein wenig zurück.
Spontaner Wechsel
Der Karrierebeginn meines Pescetarier-Daseins ist ebenso unspektakulär wie primitiv. Rückblende zum Sommer des Katastrophenjahres 2020 – Mitten am Tag realisiere ich plötzlich, dass ich völlig ungeplant und unbewusst seit einer Woche keinerlei fleischhaltige Produkte zu mir genommen habe. Ich habe es nicht einmal vermisst (obwohl ich genau das von mir erwartet hätte). Da ich mich super fühle, entschließe ich mich weiterzumachen, solange ich kein dringliches Bedürfnis nach Fleisch habe. Ich entdecke nach kurzer Zeit, dass Sushi und Shrimps meine absoluten Schwachstellen sind und werde Pescetarier. Das war’s! Keine falschen Versprechen – unspektakulär und primitiv.
Fällt es mir schwer Pescetarier zu sein?
Nein, nur an wenigen Tagen strengt es mich an. Weil ich das Fleisch vermisse? Nein, deswegen überhaupt nicht. Das Fleisch wegzulassen war der einfachste Schritt. Vor allem, weil meine Eltern oft und gerne, das Billigfleisch mit 30% Rabatt in die Einkaufstüte schmeißen, was ich auch schon vor meiner Pseudo-Veggie-Ernährung bedenklich fand. Das schwerste ist die Kommunikation mit unaufgeschlossenen Gesprächspartner*innen. Schon vor meiner Umstellung, war es mir völlig egal, ob jemand Fleisch gegessen hat oder nicht. Jetzt bemerke ich allerdings schnell, dass es Menschen gibt, denen nichts wichtiger ist, als andere Ernährungsweisen als essentielle Bedrohung ihrer Existenz zu betrachten. Leben und leben lassen, meine Freunde! Und um das nochmal zu unterstreichen: Ich finde Fleisch lecker und es demnach in Ordnung, wenn Leute Fleisch essen. Was ich nicht in Ordnung finde, ist Anderen vorzuschreiben, dass sie sich an deine Ansichten anzupassen haben.
Das heißt also, es ist alles perfekt, solange ich mich nicht auf Grillfesten mit den falschen Leuten befinde. Oh und dass ich die meisten meiner „Das-gleiche-wie-immer-Bestellungen“ ändern musste, das war auch ein bisschen nervig. Ansonsten esse ich mehr Gemüse, fühl mich nach dem Essen oft satter aber nicht vollgestopft und habe ein besseres Gewissen.
Und was sagen die Elterntiere?
Meine Mutter zeigte relativ schnell Verständnis. Meinem Vater verriet ich es mit deutlich mehr Verunsicherung ein paar Tage später. Alles in allem stört es ihn kaum, aber wirklich toll findet er es ebenfalls nicht. Nach ein paar Monaten Sticheleien, Provokationen und Augenrollen, führten wir ein ruhiges Argumentationsgespräch, indem wir uns einfach nur unsere Standpunkte erklärten. Seitdem gibt es auch weniger (Veggie-)Beef zwischen uns beiden.
Fette Snack-Palette
Apropos Veggie-Beef: Ich bin mir sicher, dass es noch nie so einfach und unkompliziert war, auf fleischfreie Ernährung umzusteigen, wie heute. Auch für Leute, die ungern auf den Fleischgeschmack verzichten möchten. Einer der Gründe dafür sind die Ersatzprodukte, die teilweise Fleischgerichte perfekt imitieren. Zugegeben – nicht jedes Produkt kann man exakt wie das Original schmecken lassen und nicht jede Marke schafft es so gut, wie andere. Nimmt man sich jedoch erst einmal die Zeit und probiert sich aus bis man seine eigene perfekte Palette zusammengestellt hat, schwöre ich euch, sind manche Imitationen kaum vom Original zu unterscheiden.
Völlig egal ob Veggie-Schnitzel, -klopse, -Teewurst, -Cordon Bleu oder inzwischen sogar –Fischstäbchen. Die Produkte schmecken super, bestehen zu großen Teilen aus natürlichen Produkten und benötigen keine toten Tiere, um den Fleischgeschmack zu erzielen. Und falls Leute sagen, du sollst dein Veggie-Schnitzel nicht „Schnitzel“ nennen, weil das irreführend sei, dann spendiere ihnen einfach ein schönes erfrischendes Glas Scheuermilch und zünde ihnen eine Kaugummi-Zigarette an.
Zum Abschluss
Niemand ist ein besserer Mensch, nur, weil er oder sie sich vegetarisch oder fleischhaltig ernährt. Es steht jedem frei. Allerdings kann es nie schaden, sich zumindest bewusster zu ernähren. Aber wenn, dann mach es für dich und dein Wohlbefinden und nicht, weil es dir jemand abverlangt. Wenn euch das Thema beschäftigt, informiert euch gern intensiver zu dem Thema. Falls nicht, dann ist das auch okay. Aber bitte versucht einander Empathie zu zeigen, anstatt zu klugscheißen oder zu verurteilen.
GaLiGrü
Hannes
