Jura vs. Law in Context – Traumberuf Jurist/in
Reportagen
Die meisten Leute haben ein ganz klassisches Bild von einem Juristen: Gesetzestreu, ernst und streng. Das Studium ist ewig lang, zu theoretisch und Jurastudenten gibt es ja eh wie Sand am Meer. Alle die Jura studieren oder studiert haben sind Rechtsanwälte oder Richter. Mit diesen Vorurteilen und Gerüchten möchten wir nun aufräumen.
Doch wie fühlen sich diejenigen, die fast täglich mit diesen Vorurteilen leben müssen? Eine Rechtsanwältin, die noch Jura studiert hat, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, die nicht studiert hat, sich aber mindestens genauso gut im Fach auskennt und ein Student, der sich in den noch jungen Studiengang "Law in Context" gestürzt hat, erzählen, wie das Leben zwischen den Paragraphen wirklich ist.
Um ein erfolgreicher und gut verdienender Jurist werden zu können, musst du natürlich erst einmal studieren. Rechtsanwältin Ute Mittermaier (44) aus Senftenberg berichtete über ihre Studienzeit: „Das Studium damals war sehr theoretisch und dauerte zudem zehn Semester (fünf Jahre). Die Klausuren waren weltfremd und es ging um Probleme, die es gar nicht gab." Von diesen weltfremden und „blödsinnigen" Klausuren gab es bis zum ersten Staatsexamen an der Uni Bayreuth zwölf Stück, die allesamt auch noch fünf mal 60 Minuten dauerten. Das ständige Lernen und die „Was-wäre-wenn"-Themen nagten sowohl psychisch als auch physisch an den Studenten. Schließlich mussten sie sehr lange auf ihre Ergebnisse warten und zu allem Ärgernis auch noch eine mündliche Prüfung ablegen.
Doch „Law in Context" Student Danny Borch (20, TU Dresden) sieht das mit dem tristen Alltag anders: „Darf der Arbeitgeber meine privaten E-Mails abfangen? Kann der Kinderwagen im Hausflur stehen bleiben? Wie wehre ich mich gegen die Flut der Parktickets? Der Jurist steht mitten im Leben. Das Jurastudium ist ein ausgesprochen praxisbezogenes Studium. Die Rechtswissenschaft nimmt ihre Fragestellungen häufig direkt aus der Praxis. Außerdem ist die Rechtsprechung mit vielen Geistes- und Sozialwissenschaften eng verknüpft, ob nun Geschichte oder Philosophie, oder vielen anderen Gebieten. Sie ist auch in sich breit gefächert. Ihre tragenden Säulen Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht erfassen Sachverhalte von den Rechten der Einzelperson bis hin zur Ordnung der Welt. Wem sollte da langweilig werden?" Außerdem gibt er zu: „Ich wollte nicht so lange studieren wie die Volljuristen. Außerdem habe ich nach meinem Bachelor ohne Zeitverlust immer noch die Chance mein Staatsexamen oder meinen Master (Verwaltungsrecht, in Berlin) zu machen."
Ute Mittermaier wollte ursprünglich den journalistischen Weg einschlagen und ist durch ihr Referendariat bei der SWR-Rechtsabteilung („Brisant" und „Akte XY ungelöst") gelandet. Das wäre auch ihr Traumberuf gewesen. Juristen, die die journalistische Richtung anstreben gelten untereinander als begehrt und exotisch. Die Erfahrungen aus der Arbeit bei dem Sender haben ihr bei ihrer jetzigen Tätigkeit als Rechtsanwältin sehr geholfen, da sie stets eine für den Nichtjuristen angenehme und verständliche Sprache verwendet habe. So werden die Mandanten nicht mit „Fachchinesisch" überrannt. Sie betont jedoch, dass es sehr wichtig sei, sich bei Zeiten zu kümmern, was man will und nicht einfach „drauf los studieren" sollte.
Was kann man mit einem Jurastudium eigentlich alles machen?
Wie schon gesagt, wird man als Jurastudent nicht zwingend Rechtsanwalt oder Richter. Der eine geht in die Wirtschaft (wie unser derzeitiger Wirtschaftsminister zu Guttenberg), andere in den Bankbereich, den Journalismus (Rechtsradaktion, jede größere Funkanstalt hat mindestens einen Juristen) oder in die Filmproduktion. Sogar in Kirchen werden Juristen gebraucht. Die organisieren dort das Arbeitsrecht und schließen Verträge. Das Baurecht spielt bei so historischen Gebäuden auch eine enorme Rolle. Das sind nur einige Beispiele von vielen, aber wie Danny schon gesagt hat, kann es bei so einem breiten Angebot nicht langweilig werden.
Wer das Studium und die Referendariatszeit erst einmal überstanden hat, für den fangen Arbeit und Spaß endlich an. Als Rechtsanwältin beginnt ein normaler Tag von Ute Mittermaier gegen 8 Uhr morgens. Das kann aber auch mal anders sein. So musste sie auch schon einmal früh um 5 Uhr nach Hameln zu einem Gerichtstermin fahren. Steht keine Anhörung an, so werden früh zunächst die Termine und Fristen gecheckt und Mandantenschreiben durchgegangen. Dabei steht ihr ihre Rechtsanwaltsfachangestellte Gabriele Bergmann (47) zur Seite. Denn es gibt immer viel zu tun. Zu ihren Aufgaben gehören die Vorbereitung der Besprechungen mit den Mandanten, die Vereinbarung von Terminen, die Registrierung und Bearbeitung der Eingangspost, das Anfertigen von kurzen Schreiben an Mandanten, Versicherungen und Gericht. Außerdem überwacht sie die Gerichtstermine und Fristen. Ablage, die Buchhaltung, die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung und alles Rund um die Selbstständigkeit ihrer Chefin gehören außerdem dazu. Sie verrät: „Die Masse sind keine Schwerstverbrecher, sondern Menschen, die oft auch hilflos sind und durch kleine dusselige Sachen bis zu 20 Jahre einsitzen müssen. Immer wieder wenige Monate – so dass bei den vielen kleinen Strafen hintereinander der Mann im mittleren Alter sein halbes Leben hinter „schwedischen Gardinen" verbracht hat. So beträgt das Durchschnittsalter der Mandanten nicht 20, sondern bewegt sich zwischen 30 und 40 Jahren. Wer hätte das gedacht? Die Jugend ist doch nicht so verzogen und brutal – Vorurteile bestätigen sich eben doch nicht immer. „Es ist immer wieder spannend zu sehen, mit welchen Problemen die Menschen kommen. Kein Fall ist wie der andere. Eine umfassende Ausbildung hilft hier schon, mit den größten Kuriositäten fertig zu werden, die das Leben so bietet."
Gabriele Bergmann schätzt besonders die Vielfat ihres Jobs, sowie den Kontakt mit den Menschen.
Die Mandanten vertrauen sich ihrer Anwältin oder auch Gehilfin an. Dadurch entsteht oft auch eine kleine Freundschaft. Das wichtigste ist: Ein Rechtsanwalt ist unbestechlich und der Mandant muss bei einer Variante seiner Aussage bleiben. Schließlich gilt es, den Richter zum Zweifeln zu bringen und ihn schlussendlich von sich selbst zu überzeugen. Denn der sieht den Angeklagten nur ein Mal und genau deshalb muss der Angeklagte bei der Verteidigungsstrategie der Geschichte bleiben, die er mit seinem Rechtsanwalt abgesprochenen hat. Ein Anwalt muss vorher also gezielte Fragen stellen, um seinem Mandanten auch helfen zu können. Schließlich hat der Hilfesuchende auch eine entsprechende Erwartungshaltung gegenüber seinem Verteidiger. Dabei stellt sich die Frage: „Was passiert, wenn ein Rechtsanwalt einen Fall verliert?" Ute Mittermaier: „Der Rechtsanwalt bekommt trotzdem das gleiche Geld. Bei Ehescheidungen gibt es jedoch keine Gewinner und keine Verlierer. Denn diese Verfahren können sich auf die Dauer sehr auf die Psyche übertragen. Vor allem wenn es um Kindschaftsangelegenheiten geht. Die Verwandtschaft beginnt sich einzumischen, wodurch das Kind hin- und hergerissen ist."
Ich habe sie gefragt, ob sie selbst Kinder habe und wie ihr Beruf mit dem Alltags- und Privatleben zu vereinbaren sei: „Der Job ist mit den Ferien der Kinder sehr gut vereinbar. Wenn ich Urlaub möchte oder die Kinder mich brauchen, dann reicht oft ein kurzes Gespräch mit dem Richter, der die Verlegung von Terminen vereinbaren kann, sodass ein Kurzurlaub von einer Woche schon drin ist." Sonstige Arbeiten können durchaus auch am Wochenende erledigt werden oder abends, wenn die Kinder im Bett liegen.
In Bezug auf die Chancen der späteren Karriere haben Student und Rechtsanwältin unterschiedliche Meinungen: „Ich denke, ich habe die besten Chancen als Jurist! Es wird immer juristische Probleme geben. Ob es nun in der Wirtschaft ist, um Verträge zu schreiben und AGB‘s zu formulieren, oder um der politischen Elite des Landes ein wenig unter die Arme zu reifen. Und Richter oder Anwalt kommt ja als Bachelor nicht in Frage. Ich möchte gern in den gehobenen Beamtendienst in verwaltungsrechtlichen Tätigkeiten. Am liebsten auf Bundes- oder Landesebene.", so Danny. Ute Mittermaier sieht dem Ganzen etwas skeptisch entgegen. Sie würde eher den Volljuristen bevorzugen, da sie bei ihm wisse, was er in seinem Studium gemacht hat und was nicht. Jedoch müsse man sich ausprobieren und eine Verkürzung des Studiums würde ihrer Meinung nach nicht die Qualität verbessern. Außerdem würde der Ruf des Jurastudiums sinken, da es keine Zulassungsbeschränkung für den neuen Studiengang gäbe. In der Tat gibt es keinen Numerus Clausus für die neue Richtung.
Fazit unserer befragten Rechtsanwältin: „Juristen haben einen abwechslungsreichen Job. Man lernt viele Menschen kennen, die immer wieder andere Probleme haben. Ich mag es vor allem den Menschen zu helfen, die zu mir kommen. Sie sollen wieder auf die Beine kommen können und eine zweite Chance steht jedem zu. Wichtig ist aber, dass man alle Bereiche kennen lernen sollte und schon am Anfang wissen muss, in welche Richtung man mal gehen will. Wenn das nicht funktioniert, dann muss man sich eine Ausweichmöglichkeit suchen."