„In erster Linie bin ich Sportler, aber trotzdem Soldat.”
Reportagen
Das PLANBAR-Team hat Spitzenturner Philipp Boy ganz privat getroffen. Wie es im Moment mit seiner Karriere aussieht und wo Philipp total relaxen kann, ohne erkannt zu werden, erfahrt ihr hier.
Wie ist Philipp Boy zum Turnen gekommen?

Im Alter von 4,5 bzw. 5 Jahren hat mich meine liebe Mama zum Turnen geschickt, weil ich schon immer ein aufgeweckter Junge war und einen hohen Bewegungsdrang hatte. Sie wollte so meine Energien in die richtigen Bahnen lenken. Sie kannte meinen damaligen Trainer Manfred Paschke persönlich und so bin ich zum Turnen gekommen. Es gefiel mir so gut, dass ich sehr schnell in die Trainingsgruppe der Leistungssportler gekommen bin.
Seit wann war dir klar, dass du Leistungssportler werden willst, also dass der Sport deine Haupttätigkeit werden sollte?
Ich kann nicht sagen, wann ich mich genau dazu entschieden habe. Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Bei den Junioren habe ich einen Wettkampf nach dem anderen gewonnen. Dabei hatte sich herausgestellt, dass ich Potenzial und Talent habe. Das hat mich sehr angespront und diese Motivation ist bis heute geblieben. Durch diese Erfolge habe ich den Entschluss gefasst, Leistungssport zu betreiben.
Der Tagesablauf eines Leistungssportlers
Ich richte meinen Tagesablauf nach dem Sport aus. Alles was ich am Tag zu tun habe, lege ich um meine beiden Trainingseinheiten herum.
6:30 Uhr aufstehen
7:00 Uhr Frühstück
8:30 Uhr bis ca. 11:00 Uhr erste Trainingseinheit
11.00 Uhr – 14:00 Uhr Mittagspause (Essen und um das Geschäft kümmern)
14.00 – 17.00 Uhr 2. Trainingseinheit
ab 17:00 Uhr Körperpflege (Physiotherapie, Sauna, Whirlpool)
18:30/19:00 Uhr Feierabend
Welche sportlichen Erfolge waren für dich die schönsten?
Am meisten gefreut habe ich mich über meinen Europameistertitel in Berlin 2011. Das war ja praktisch ein Heimspiel. Cottbus ist natürlich meine Heimat, aber ich bin sehr oft in Berlin. Obwohl ich es eigentlich nicht so gern habe, wenn Familie und Freunde bei meinen Wettkämpfen dabei sind, war es in diesem Fall sehr schön, dass sie da waren. Diesen Sieg in Berlin feiern zu können war sehr emotional. Rotterdam im Jahr davor, als ich das erste Mal Vize-Weltmeister geworden bin, kommt dem auch ganz nahe. Da konnte ich es gar nicht fassen, dass ich Zweiter geworden bin. Das sind die beiden bislang schönsten sportlichen Erfolge.
Welche Erfolge strebst du denn noch an?
Irgendwann eine Medaille bei den Olympischen Spielen zu gewinnen.
Hattest du einen Plan B? Was wolltest du machen, wenn es mit der sportlichen Karriere nicht klappt?
Mein Plan B war die Ausbildung zum Bankkaufmann, die ich nach dem Abitur begonnen hatte. Im Jahr 2008 habe ich direkt nach den Olympischen Spielen meine Ausbildung begonnen. Die Ausbildung hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber da ich auch dort der Beste sein wollte, haben sich dadurch meine sportlichen Leistungen immer mehr verschlechtert. Ich konnte nicht immer am Training teilnehmen oder war nicht genug ausgeruht. Ein Jahr lang habe ich die Ausbildung durchgezogen, mich jedoch dann entschieden, sie abzubrechen. Stattdessen wechselte ich zur Sportförderung der Bundeswehr. Dadurch hatte ich viel mehr Zeit zum Trainieren. Jetzt kann ich alles dem Sport unterordnen. Der Plan B kann also erst mal noch auf sich warten lassen. Durch meine Erfolge öffnen sich andere Türen, die mir die Entscheidung vielleicht leichter machen werden.
Hast du es irgendwann mal bereut, dass du die Ausbildung abgebrochen hast?
Nein, noch nie. Ich wusste, wenn ich mein Leben nach dem Sport ausrichte, kann ich auch bessere Leistungen bringen. Gott sei Dank hat sich der Erfolg dann auch eingestellt. Es ist eine kleine Genugtuung, dass man den Menschen die den Abbruch der Ausbildung nicht befürwortet haben, sagen kann: Es hat sich doch gelohnt! Hätte ich die Ausbildung weiter gemacht, wäre ich mit Sicherheit nicht zu so großem Erfolg gelangt.
Was würdest du einem jungen Menschen empfehlen, der vor der Entscheidung steht, Ausbildung oder Leistungssport?
Aus persönlicher Sicht würde ich immer sagen, macht euch eure eigenen Gedanken. Das ist das oberste Prinzip. Niemand sollte auf irgendjemanden hören, denn jeder muss seinen eigenen Weg finden. Ich kann Vorbild, aber kein Ratgeber sein.
Würde dir der Verdienst als Sportler allein zum Leben reichen?
Wenn man nur von dem Sport leben müsste, würde es schwer sein. Man braucht persönliche Förderer und Sponsoren. Die AFA unterstützt mich schon eine lange Zeit. Adidas ist ein wichtiger Partner, ebenso die Handelskammer Cottbus. Zudem bin ich Mitglied im Team Vattenfall. Dann kommen noch kleinere Sachen dazu, wenn man mal Showauftritte macht oder irgendwelche anderen offiziellen Sachen. Dabei verdient man auch gutes Geld. Das Gehalt von der Bundeswehr kommt noch hinzu. Ich kann jetzt von meinem Sport Leben, aber vorsorgen kann ich nicht. Irgendwann muss ich mir überlegen, mit dem Sport aufzuhören. Meine Zeit als Turner ist begrenzt.
Wie bist du zum Sportsoldaten geworden?
Wenn man in seiner Sportart zu den Besten gehört, dann werden dir die Wege frei gehalten. Die Bundeswehr ist ein großer Förderer des Deutschen Turner-Bundes. Sie stellt dem Verband Stellen zur Verfügung. Wenn man zu den Besten gehört, kann man schnell und ohne große Mühe zum Sportsoldaten werden.
Was macht man als Sportsoldat?
Als erstes muss man 2,5 Monate lang die normale Grundausbildung absolvieren. Die Grundausbildung ist so wie sie jeder kennt: Im Dreck robben, in der Kälte schlafen und so weiter. So ist das nun mal, aber man lernt nette Menschen kennen und es macht auch viel Spaß. Ich nehme an verschiedenen Lehrgängen teil, aber die Bundeswehr versucht alles so zu gestalten, dass man sich ab 16:00 Uhr nochmal 2-3 Stunden dem Sport widmen kann.
Was hast du nach deiner Leistungssportkarriere vor?
Ich werde auf jeden Fall im Finanzdienstleistungssektor bleiben. Ich baue mir gerade mit einem Geschäftspartner ein zweites Standbein auf. Mit ihm führe ich zwei gastronomische Einrichtungen, die Brotzeit im Blechen Carré und die Sandwichmanufaktur in Groß Gaglow. Wir denken da auch weiter, vielleicht werden wir mal in andere Städte expandieren. Das ist ein Investment für die Zukunft. Hier investiere ich lieber, anstatt mir teure Autos oder ähnliches zu kaufen. Ich will nicht einer dieser 30-Jährigen sein, die als sie jung waren ihr Geld ausgegeben haben und jetzt in die Röhre gucken. Ich möchte dann zurückblicken und sagen können: „Das hast du richtig gemacht.“
Wie lange möchtest du noch turnen?
Ich werde nach den Olympischen Spielen Jahr für Jahr entscheiden. Mit meinem Körper muss ich noch 70 Jahre leben. Turnen ist kein „Wohlfühlsport“, sondern harte Arbeit. Außerdem muss man sehen, wie es mit den Sponsoren weiter geht.
Was machst du, wenn du nicht gerade am trainieren oder in deinem Geschäft bist?
Ich bin sehr viel in Berlin. Ich liebe es, mit Freunden weg zu gehen aber noch mehr liebe ich es, mit meiner Familie unterwegs zu sein. Es ist schwierig, das alles unter einen Hut zu bringen. Die meiste Zeit wird trainiert und die paar Stunden zwischendurch versuche ich gerecht aufzuteilen. Umso mehr genieße ich die Zeit, wenn ich mit Freunden und der Familie zusammen bin. Trotzdem bin ich auch unternehmungslustig. Gern halte ich mich am Altmarkt auf und gehe in Bars oder Cafés – inzwischen aber weniger in Cottbus, sondern eher in Dresden und Berlin.
Sprechen dich Leute auf der Straße an?
Nein und darüber bin ich auch froh. In Cottbus kennt man mich, aber ich werde weitestgehend in Ruhe gelassen. Das schätze ich an der Stadt!
Wie stellst du dir ein Leben in 10 Jahren vor?
Auf jeden Fall werde ich dann nicht mehr turnen. Ich hoffe, dass ich viel unterwegs sein werde. Ich werde immer noch in Cottbus leben und hoffentlich viele Restaurants betreiben. Hoffentlich leben dann wieder mehr Menschen in Cottbus.
Du willst mehr über den Beruf eines Soldaten wissen und fragst dich "Wie werde ich Soldat ?" Dann können wir dir in unserem Beitrag "Wie werde ich Soldat? In 3 Schritten zur Bundeswehr-Karriere" weiterhelfen.