Hobbystudium – Studieren aus Spaß an der Freude
Rund um's Studium
Für sehr viele Leute bedeutet ein Studium Druck. Ein Leistungsdruck, der vielleicht durch die Eltern oder einem selbst hervorgerufen wird, weil man „nur durch dieses Studium“ seine Ziele erreichen könne. Doch muss es so sein? Wir haben dazu mit der 32-jährigen Julia F. gesprochen. Sie kommt aus Beeskow und hat ihren Master rein aus Interesse absolviert. Wie das für sie war, welche persönlichen Eindrücke sie sammeln konnte und was sie noch zu sagen hat, verrät sie uns in einem Interview.
Wie kamst du zu deinem Studium?
Ursprünglich wollte ich direkt nach dem Abitur studieren, hatte mich dann allerdings für die sichere und vernünftige Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte entschieden. Da ich im Anschluss für ein Jahr übernommen wurde und dadurch mein erstes Gehalt sowie Verantwortung erhielt, stellte sich der Alltag und die Routine ein. Ich spielte immer noch mit dem Gedanken zu studieren, doch auch durch die Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsvertrages fehlte mir der Mut. Die Zeit verging und der Gedanke daran neu anzufangen, wurde immer unbequemer. Schließlich entdeckte ich die Ausschreibung meines Arbeitgebers für ein gefördertes Studium. Darin sah ich meine Chance, einerseits zu studieren und andererseits die sichere Stelle zu behalten.
Um welchen Studiengang handelte es sich und welche Bedingungen hatte dieses geförderte Studium?
Ich habe an einer Uni in Berlin Public Management (B.A.) studiert – also eine Verwaltungswissenschaft. Das geförderte Studium wurde unter der Vereinbarung geschlossen, dass die Studiengebühren vom Arbeitgeber getragen werden und ich für die Präsenzveranstaltungen freigestellt werde. Im Gegenzug verpflichtete ich mich, für fünf Jahre im Betrieb zu bleiben. Ich muss auch sagen, dass mich letztendlich das reine Interesse zu der Entscheidung bewog. Natürlich kamen nachrangig auch die Vorteile hinzu, beruflich breiter aufgestellt zu sein und die Voraussetzung für höherwertige Tätigkeiten zu erlangen.
Wie ging es nach dem Bachelor-Studium für dich weiter?
Als der Bachelor sich langsam dem Ende neigte, erklärte unsere Uni, dass sie für Bachelor-Absolvent*innen Sonderkonditionen anbiete, wenn der Masterstudiengang direkt im Anschluss absolviert wird. Ich war innerlich der Meinung, dass ich mir den Stress nicht mehr antun möchte, war mir aber unsicher, ob ich mir die Chance entgehen lassen möchte. Doch ich war bereits im Studienmodus, kannte die Uni, die Abläufe und wenn ich eine Pause gemacht hätte, hätte ich vermutlich nie mit dem Master angefangen. Hier bewog mich das reine Interesse weiterzumachen und noch mehr Wissen rundum Managementprozesse zu erwerben. Betrieblich wurde der Master nicht benötigt, deshalb musste ich diesen finanziell selbst tragen. Die Studiengebühren konnte ich von meinem Ersparten bezahlen.
Wie war dein Studium aufgebaut?
Das Studium war so angelegt, dass es in der Regelstudienzeit zu schaffen sein musste. Es bestand Anwesenheitspflicht, das heißt bei Fehlzeiten galt jedes Studienmodul als nicht bestanden und konnte erst im nachfolgenden Studienjahr nachgeholt werden. Das war dann natürlich alles sehr zeitintensiv – unter der Woche Vollzeit zur arbeiten, einmal im Monat Donnerstag bis Samstag den Weg nach Berlin anzutreten sowie ein enger, durchgestalteter Stundenplan mit strengen Abgabeterminen für Hausarbeiten oder größere wissenschaftliche Arbeiten. Der Zeitdruck war dahingehend enorm. Nebenbei galt es natürlich mir im Selbststudium, das sich nach dem jeweiligen Modulthema richtete, alles Nötige anzueignen. Sich also nach dem Feierabend zu zwingen, wenigstens ein bisschen was für die Uni zu machen, war nicht immer leicht. Ansonsten
hatte das Studium einen sehr familiären Charakter, da wir im Bachelor nur 20 und im Master 10 Studierende waren.
Das klingt wirklich sehr stressig. Wie bist du damit umgegangen?
Ehrlicherweise war das stellenweise ziemlich hart. Gerade wenn es darum geht, Freunde und Familie mit dem Studium vereinbaren zu wollen. Das Verständnis der anderen ist wichtig, wenn man als Hobby-Studentin auch mal absagen muss. Schlussendlich rettete ich mich mit dem Gedanken, dass irgendwann auch wieder andere Zeiten kommen. Ich war zu der Zeit sehr angespannt, dünnhäutig und gestresst. Doch mit der letzten mündlichen Prüfung und der Bestätigung, bestanden zu haben, sind der ganze Stress und die Anspannung abgefallen. Es war so unglaublich befreiend. Interessanterweise blieb einige Zeit nach dem Studium das Gefühl des schlechten Gewissens, wenn ich einfach mal so auf der Couch saß. Immerhin war drei bzw. fünf Jahre lang immer etwas zu tun.
Wie reagierten die Leute auf dein Hobby-Studium?
Es gab viele verschiedene Reaktionen – sowohl positiv als auch negativ. Aus meinem Bekannten- als auch Kollegenkreis kam die anklagende Frage und der Erwartungsdruck, was ich mit dem Abschluss anfangen wollte. Ich müsse ihn doch nutzen. Das traf mich wirklich sehr. Außerdem ist mir aufgefallen, wenn die Leute mich nach meinen Studium gefragt haben und ich ehrlich antwortete (Stress und meistens viel zu tun), sie es recht abwertend abgetan haben. Schließlich hätte ich es mir ja ausgesucht. Da wisse man das doch. Ich fühlte mich durch die Aussage schlecht, sodass ich nur noch oberflächlich geantwortet habe, dass es gut liefe. Ich habe das Gefühl, dass es wenig Verständnis und Akzeptanz für ein Hobbystudium gibt.
Das klingt ziemlich ernüchternd, wie sah es mit den positiven Reaktionen aus?
Ich erhielt viel Zuspruch von meiner Chefin, die meinte, ich solle die Chancen nutzen, die sich mir bieten. Des Weiteren hat mich nach dem erfolgreichen Abschluss überrascht, wie stolz meine Familie auf mich war. Nicht über die Noten, sondern, dass ich es mir zugemutet und auch durchgezogen hatte. Auf ihre Unterstützung konnte ich die gesamte Zeit zählen und sie haben sehr verständnisvoll reagiert. Genauso wie Freunde und auch Kolleg*innen, die meinen Ausfall während der Präsenzveranstaltungen kompensieren mussten. Ich bin auf keine Zurückweisung gestoßen, wenn ich mit ihnen Aufgaben oder Problemstellungen diskutieren wollte.
Würdest du Studieren als Hobby empfehlen, um das Wissen und die Interessen zu erweitern und die Freizeit damit zu verbringen?
Eine uneingeschränkte Empfehlung kann ich für ein Hobbystudium nicht geben. Denn ein Studium bringt nicht nur Wissenszuwachs, sondern nimmt auch viel Zeit in Anspruch und verursacht Kosten. Ebenso gilt es sich zu überlegen, welche Rahmenbedingungen ein Studium hat. Gibt es überhaupt Präsenzveranstaltungen oder herrscht nur für Prüfungen Anwesenheitspflicht? Da gibt es in der Universitätswelt eine Menge verschiedenartig organisierte Studiengänge. Man muss sich vor allem die Frage stellen, ob man bereit wäre, seine Freizeit dafür einzusetzen und Abstriche zu machen. Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall glücklich mit der Entscheidung.
Vielen Dank, Julia, für deine geteilten Erfahrungen. Hast du noch ein Fazit für uns?
Ich bin sehr froh über all die positiven, aber auch negativen Erfahrungen, die ich dadurch gewonnen habe. Insbesondere über die Freundschaften, die mit einigen Kommiliton*innen entstanden sind, bin ich sehr dankbar. Wir haben zusammen Trennungen überstanden, uns neu verliebt, Schwangerschaften, Elternzeit, schwere Schicksalsschläge miterlebt und sogar ein Haus gebaut. Das Leben macht für die Zeit des Studiums nicht Halt. Es gibt kleinere und größere Veränderungen, die sich mit einem Studium vereinbaren lassen müssen. Sollte es nicht so sein, kann ich nur den Rat unserer Uni weitergeben: Unbedingt das Gespräch suchen und versuchen, gemeinsam mit der Uni einen Lösungsweg zu erarbeiten – nicht einfach aufgeben. Es lässt sich immer eine Alternative finden.
Julias-Profi-Tipp für die Studiensuche:
- Falls du bereits eine Wunsch-Uni oder einen Wunsch-Studiengang ausgesucht hast, würde ich mit Hilfe der sozialen Medien versuchen Kontakt zu einem Studierenden an dieser Uni herzustellen. So könntest du ggf. an Informationen und subjektive Eindrücke kommen, die du nicht im Flyer oder auf der Homepage findest.
Liebe Julia, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mit uns über dein Hobbystudium zu sprechen. Wir fanden es wirklich sehr spannend deine persönlichen Eindrücke kennen zu lernen. Wir wünschen dir alles Gute für deine Zukunft.
Foto: PLANBAR/ Isabell Schoerner