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Hilfe für Umwelt und Mensch

Reportagen

Veröffentlicht am 10.10.2012

Der RUNDSCHAU-Bus klappert und wackelt, ich hüpfe im Sitz auf und ab. Ein löchriger Feldweg führt mich ins Nirgendwo. Wo bin ich hier gelandet? Nein, nicht in der Pampa, ich bin tatsächlich noch in Cottbus, genauer gesagt in Sielow. Mein Weg durch eine schöne, ländliche Gegend führt mich direkt zu meinem Ziel, dem Bio-Hof Auguste.

Ein Mitarbeiter des Hofs begrüßt mich herzlich und ich fühle mich gleich wohl in dieser Idylle. Hunde, Katzen und kleine Gänschen kommen neugierig auf mich zugelaufen – und das soll es noch lange nicht an Tieren für diesen Nachmittag gewesen sein.
Ich bin verabredet mit Katrin Lehmann. Die 27-Jährige absolviert derzeit ein freiwilliges ökologisches Jahr (FÖJ) auf dem Bio-Hof. Die Einrichtung gehört zu den Cottbuser Lebenshilfewerkstätten Hand in Hand, ein gemeinnütziges Unternehmen, das Menschen mit Einschränkungen -welcher Art auch immer- eine Beschäftigungsmöglichkeit bietet. Die Mehrheit hätte auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Perspektive. Auf dem Bio-Hof arbeiten psychisch kranke Menschen, z.T. auch mit geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung. Für sie eignet sich die ruhige Umgebung, fernab vom Stress und der Hektik des Alltags, besonders gut um mit ihrer Krankheit klar zu kommen.

Mir laufen immer mehr Tiere über den Weg: Auf dem Hof leben insgesamt ungefähr 1.500 Tiere, die jährlich angezüchtet werden: Enten, Gänse, Rinder, Kaninchen, Hühner, Puten, und seit dem letzten Jahr auch das Schwein Uschi. „Uschi hat vor kurzer Zeit sechs Ferkel bekommen. Die müssen wir aber leider abgeben, sie werden bald versteigert.“ Das besondere an den Tieren ist, dass vor allem alte und vom Aussterben bedrohte Rassen auf dem Hof leben. „Dem Bio-Hof ist es ein großes Ziel, diese gefährdeten Arten zu erhalten und zu beschützen“, erklärt Katrin.

Während wir über den großen Hof schlendern erzählt mir Katrin, dass sie im letzten Herbst ihr BWL-Studium an der BTU Cottbus beendet hat und vor dem Start ins Berufsleben noch einmal etwas anderes ausprobieren wollte. Es sollte in die ökologische Richtung gehen. Dass Sie nun auch mit psychisch erkrankten Menschen arbeitet, war eher ein Zufall. Heute kann sich Katrin nichts Schöneres vorstellen: „Es ist ein tolles Gefühl auf einem Bio-Hof ökologisch nachhaltig und auch noch sozial zu arbeiten.“

Auf die Frage, wie es ist, mit psychisch Kranken zusammenzuarbeiten antwortet Katrin: „Es gibt solche und solche Tage.“ Der tägliche Arbeitsalltag hängt oft von den Stimmungen unserer Mitarbeiter ab. Diese können natürlich, abhängig vom Krankheitsbild, mal himmelhochjauchzend oder auch tief betrübt sein.“ Ein FÖJ’ler auf dem Bio-Hof sollte also Einfühlungsvermögen und Verständnis für die rund 30 Mitarbeiter mitbringen. Die erkrankten Menschen werden übrigens bewusst als Mitarbeiter bezeichnet.

Jeden Tag geht es anders zu auf dem Hof. Einen relativ „normalen“ Arbeitstag beschreibt die 27-Jährige aber so: „Die Frühschicht beginnt morgens um sieben und bis die Mitarbeiter eintreffen, besprechen wir Angestellte Organisatorisches und den Plan für den Tag. Um 7:30 Uhr kommen dann unsere Mitarbeiter und von 8:00 bis 9:00 Uhr steht die Grundversorgung der Tiere an. Erst danach dürfen auch die Menschen essen“, scherzt Katrin. Das gemeinsame Frühstück ist ein wichtiger Bestandteil für einen geregelten Tagesablauf der Mitarbeiter. Im Anschluss werden sie speziellen Bereichen auf dem Hof zugeteilt, in denen alle ihre Arbeit bis zum Nachmittag verrichten. Jeden Freitag gibt es nochmal eine Zusammenkunft aller Angestellten und Mitarbeiter, um die vergangene Woche auszuwerten.

Doch das FÖJ findet für Katrin nicht nur auf dem Bio-Hof statt. Alle FÖJ’ler des Landes Brandenburg treffen sich insgesamt fünfmal im Jahr ihres Einsatzes und erhalten jeweils einwöchige Seminare durch einen Träger des FÖJ. Dabei lernen die jungen Teilnehmer ökologische Inhalte aber auch Themen wie gesunde Ernährung. Für ihren Einsatz im FÖJ erhalten die Freiwilligen ein Taschengeld von ungefähr 300 €.

Auch Ronny Hehne, der Leiter des Bio-Hofes, ist eigentlich immer da. Er erzählt mir von der Gründung des Bio-Hofes Auguste im Jahr 2007: „Damals fingen wir mit 1 Hektar Gemüse, 300 Gänsen und 15 Mitarbeitern an.“ Heute ist das ganze Areal auf stolze 2 Hektar, 1.500 Tiere und 30 Mitarbeiter angewachsen. Man merkt, dass Ronny und auch Katrin in ihrem Beruf aufgehen. „Es ist ein schönes Gefühl, ökologische Nachhaltigkeit und soziales Arbeiten miteinander verbinden zu können. Beides liegt mir sehr am Herzen“, erklärt der Hofgründer. Nicht nur der Umwelt, sondern auch den psychisch erkrankten Menschen auf dem Hof tut es gut, den Biokreislauf von A bis Z zu erleben und diesen zu unterstützen. Auch mich beeindruckt diese Natürlichkeit und Einfachheit sofort.

Mit ihrer Arbeit verfolgen beide das Wunschziel, die Mitarbeiter durch ihre Zeit auf dem Bio-Hof wieder fit für den „normalen“ Arbeitsmarkt zu machen. Das ist aber gar nicht so einfach. „Viele Mitarbeiter arbeiten schon viele Jahre hier“, erzählen mir Katrin und Ronny, „und werden voraussichtlich auch nicht in einen anderen Job wechseln können.“ Umso wichtiger ist es, auch diesen beeinträchtigten Personen einen Arbeitsplatz anzubieten. Katrin gibt zu, dass es ein herausfordernder Job ist, der auch manchmal nicht ganz leicht sein kann. Das Gefühl, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun, überwiegt aber und macht sie sehr glücklich.

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