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Im Land der Fojorde – Auslandsjahr in Norwegen

Reportagen

Veröffentlicht am 17.09.2012

Michaela Noack ist 18 Jahre alt und stammt aus Dissen, in der Nähe von Cottbus. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass ein Auslandsjahr nicht zwangsläufig die Abkehr von der Heimat mit sich bringt – ganz im Gegenteil!

Wie kam es überhaupt zu deinem Interesse an einem Auslandsjahr?
Eine meiner Lehrerinnen vom Niedersorbischen Gymnasium hat uns in der 8.Klasse Flyer der yfu mitgebracht, in der zu einer Infoveranstaltung an der FH Cottbus eingeladen wurde. Meine Cousine war zu einem Schüleraustauch in den USA, das hat mich dann schon interessiert.

Wie hast du dich dann beworben?
Zuerst habe ich bei der Organisation Interesse an einem Schüleraustausch in der 11.Klasse geäußert, danach kamen auch schon Bewerbungsunterlagen. Ich musste einen Brief über mich selbst schreiben, also meine Stärken, Schwächen, Hobbys etc. Noch vor der Einladung zum Auswahlgespräch kam die Zulassung, dass ich nach Norwegen darf, wenn ich angenommen werde.

So ein Auslandsjahr hinterlässt doch auch auf dem Konto seine Spuren, oder?
Für Versicherungen und Co. haben meine Eltern Einiges bezahlt, bevor es überhaupt richtig los ging. Während des Auslandsjahres habe ich jeden Monat Taschengeld überwiesen bekommen, was ich größtenteils für meinen Führerschein gespart habe. Wenn man in Norwegen mehr als 6 Kilometer von der Schule weg wohnt, bezahlt der Staat einem die Busfahrkarte. Dadurch hab ich zusätzlich gespart.

Ein Jahr lang ohne deine Familie, hattest du Heimweh?
Ich hatte eine super Gastfamilie, die dazu beigetragen hat, dass ich überhaupt kein Heimweh hatte. Drei Wochen vor meiner Rückreise nach Deutschland sind meine Eltern, mein kleiner Bruder und sogar Oma mich besuchen gekommen. Wir als Familie sind uns dadurch näher gekommen, wenn jemand so lange weg ist lernt man seine eigene Familie mehr schätzen.

Warum ausgerechnet Norwegen?
Zuerst wollte ich in die USA, aber das war meinen Eltern zu weit weg. Sie wollten dass ich in Europa bleibe. Meine Cousine meinte dann auch, dass es besser ist in ein Land zu gehen, dessen Sprache man noch nicht kennt. Da jeder in der Schule Englisch lernt, fiel auch England flach. In Osteuropa ist die Kriminalitätsrate sehr hoch und für Süd- oder Westeuropa konnte ich mich nicht begeistern, also stand nur noch Skandinavien zur Auswahl. Mein Erstwunsch war Norwegen, an zweiter Stelle Schweden und Wunsch drei dann Finnland. Warum ich ausgerechnet Norwegen auf die eins gesetzt habe weiß ich ehrlich gesagt gar nicht, Intuition.

Norwegisch, eine komplett neue Sprache. Wie bist du klar gekommen?
Ich hätte vorher einen Norwegisch-Kurs absolvieren können, aber das wollte ich nicht. Bevor es los ging habe ich mir ganz einfache Wörter wie „Hallo“ oder „Danke“ aus dem Wörterbuch angeeignet. Am Anfang habe ich in der Schule gar nichts verstanden, aber nach 4 Monaten konnte ich top norwegisch. Meine Gastschwester hatte überall im Haus gelbe Klebezettel verteilt, wirklich überall! Auf jedem Stuhl, im Kühlschrank, den Blumen – So lernte ich recht schnell.

Wie hast du dich in dem Jahr weiterentwickelt oder verändert?
Ich nehme die Schule viel ernster, ich hab gelernt, dass man nicht für Mama, Papa oder den Lehrer dorthin geht, sondern für sich selbst. Meine Eltern meinen, dass ich ruhiger, erwachsener und respektvoller geworden bin. Außerdem macht so ein Jahr in der Fremde selbstständig.

Wie war die Gastfamilie, habt ihr noch Kontakt?
Die Organisation hat uns eine Gastfamilie ausgesucht, an die ich einige Wochen vor meiner Abreise einen Brief auf Englisch geschrieben hab. Einen Tag bevor es losging hab ich dann meine Antwort und ein paar Bilder von der Familie bekommen. Mit einer Gastfamilie wie ich sie hatte, kann sich jeder glücklich schätzen. Sie wohnen in Trondheim, das liegt etwa 600km weit von Oslo, in der Nähe des beliebten Urlaubsziels Geirander. Im Juni kommen sie mich sogar besuchen, dann zeige ich Ihnen den Spreewald.

Wie bist du in der Schule klar gekommen?
In Schulen wird mit PC´s gearbeitet, was natürlich vom Unterrichtsstoff ablenkt. Ich hatte trotzdem fast immer 6en, was in Norwegen 1 bedeutet. Wieder zurück in Deutschland musste ich die 11. Klasse wiederholen, da das Abitur nur noch 12 Jahre geht. Aber wie sich herausgestellt hat war das das Beste was mir passieren konnte, ehemalige Klassenkameraden hatten unheimlichen Schulstress.

Würdest du einen Auslandsaufenthalt anderen weiterempfehlen und wenn ja, warum?
Auf jeden Fall! Die Erfahrungen die man in einem Auslandsjahr macht sind Gold wert, man lernt sich selbst einfach besser kennen und wird selbstbewusster.

Welche besonderen Erfahrungen hast du gemacht?
Norwegen bietet einfach eine einzigartige Natur, die Wasserfälle und Fjorde haben mich in Ihren Bann gezogen. Und ich habe gelernt Ski zu fahren, auch wenn ich anfangs jedes Mal hingefallen bin. Sehr gewöhnungsbedürftig fand ich, dass es im Winter nur von 11 – 14 Uhr hell ist.

Gab es ein besonders schlimmes oder schönes Erlebnis?
Das schlimmste war, als ich erfahren habe, dass mein Hund in Dissen gestorben ist. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich gern nach Hause geflogen. Das hätte allerdings den Abbruch des Auslandsjahres bedeutet. An meinem Geburtstag, dem 4. Mai lag in Norwegen Schnee, das fand ich echt toll.

Hat das Auslandsjahr deinen Berufswunsch beeinflusst?
Ich wollte schon vor meinem Auslandsjahr etwas in Richtung Krankenschwester im OP-Bereich oder Anästhesie machen. In Norwegen habe ich gemerkt, dass ich ein „Helfersyndrom“ habe, es macht mir Freude mit Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen zu helfen.

Willst du später mal in der Lausitz bleiben?
Ja, durch das Austauschjahr wurde mir klar, wie sehr ich meine Heimat liebe. Es gibt Menschen, die es immer wieder raus in die Welt zieht, wenn Sie einmal Auslandsluft geschnuppert haben. Ich habe mein Dissen noch mehr lieben gelernt. Zur Ausbildung oder zum Studium möchte ich für wenige Jahre noch einmal weggehen, aber mein Ziel wird es immer bleiben, nach Dissen zurückzukehren!

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