Traumberuf Taxifahrer – Über Ausbildungs(um)wege zum eigenen Unternehmen
Leben
Alle Taxifahrer sind männlich, erfolglose Akademiker und müssen sich nicht an Verkehrsregeln halten. Was ist dran an den typischen Klischees rund um das Gewerbe mit den vier leuchtenden Buchstaben? PLANBAR hat Taxiunternehmerin Viola Rittig-Resag an einem Cottbuser Party-Wochenende begleitet und spannende Einblicke in eine unterschätzte Berufsgruppe erhalten.
Samstag, 23.02 Uhr auf dem Altmarkt.
Das Cottbuser Nachtleben ist bereits erwacht und läuft zur Höchstform auf – es ist „Altstadt-Nacht“. Das alljährliche Kneipenevent treibt Cottbuser verschiedenen Alters durch die Straßen der Lausitzmetropole – so auch Viola Rittig-Resag. Von der Musik und dem ausgelassenen Partyfeeling wird sie in ihrem VW-Passat allerdings nicht allzu viel mitbekommen, denn die 61-Jährige fährt Taxi.
Die Taxiunternehmerin ist es gewohnt zu arbeiten, während andere feiern. „Ich finde es immer interessant zu sehen, was an solchen Abenden in der Stadt so los ist“, erzählt Viola Rittig-Resag. „Außerdem sind die Leute nachts meistens entspannter als tagsüber“, weiß die Taxifahrerin. Die Cottbuserin fährt seit 2011 Taxi und hat sich der Cottbuser Taxigenossenschaft angeschlossen. Seit drei Jahren ist sie als selbstständige Unternehmerin tätig und hat vor allem am Wochenende gut zu tun.
„Das Stehen ist immer belastend“, gibt Viola Rittig-Resag zu. „Es gibt Tage da steht man stundenlang, weil einfach nichts los ist“, so die Taxifahrerin. Dennoch gäbe es in solchen Situationen einen unausgesprochenen Kodex unter Taxifahrern – man schnappt sich nicht gegenseitig die Fahrgäste weg. Auch dann nicht, wenn ein anderer Kollege, der nicht gerufen wurde, zufällig eher da ist. Das wissen auch die Kollegen in Cottbus, denn die meisten würden diese stille Abmachung sehr ernst nehmen.
Wie wird man eigentlich Taxifahrer/-in?
Viele Straßen führen zum Ziel und viele Wege führen in den Beruf des Taxifahrers. So war es auch bei Viola Rittig-Resag. „Früher hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich eines Tages mal nachts Taxi fahren werde“, gibt sie schmunzelnd zu. Die gelernte Wirtschaftskauffrau, wollte eigentlich Tänzerin werden und beginnt auch eine entsprechende Ausbildung, die sie aus anatomischen Gründen allerdings nicht beenden kann. Nach der kaufmännischen Ausbildung arbeitet sie beim Maschinenbauhandel in der Berliner Straße. Dieser wird, wie viele andere Betriebe nach der Wende, abgewickelt. 1995 ist die damals 39-Jährige zum ersten Mal arbeitslos. Um der Arbeitslosigkeit möglichst schnell zu entkommen, lässt sie sich als Quereinsteigerin zur Immobilienmaklerin ausbilden. 1996 wird sie schwanger. „Danach habe ich halbtags im Malerbetrieb meines damaligen Ehemannes gearbeitet“, erklärt sie. 2007 nimmt sie zusätzlich eine Stelle in einem Callcenter an. Wenngleich Viola Rittig-Resag gern dort arbeitet, wird der Job für die dreifache Mutter irgendwann zur Zerreißprobe. Durch Insolvenzverfahren des Unternehmens, kommen immer wieder neue Verträge zustande und somit auch immer neue Befristungen. „Ich wusste nie, ob ich nach Ablauf der Befristung endlich übernommen werde, oder nicht“, erinnert sie sich. Um sich nebenbei noch etwas dazu zu verdienen, beginnt die Cottbuserin Taxi zu fahren – zunächst nur am Wochenende.
„Wie ich zum Taxi kam weiß ich gar nicht mehr so genau. Ich hatte wahrscheinlich auf eine Zeitungsannonce reagiert“, glaubt Viola Rittig-Resag sich zu erinnern. Als Pauschal-Taxifahrerin beginnt sie ihre Karriere und macht 2011 den Personenbeförderungsschein. Durch die seltenen Fahrten kann die frischgebackene Taxifahrerin aber keinen Kundenstamm aufbauen. Zudem häufen sich im Jahr 2013 die Probleme „In diesem Jahr wurde ich geschieden und konnte teilweise auch nicht mehr meine Miete bezahlen“, erinnert sich die Taxifahrerin. Hartz Vier und Existenzängste sind die Folge und spornen Viola Rittig-Resag an weiter Taxi zu fahren. Den Unternehmerschein macht sie im Jahr 2015.
Ein eigenes Unternehmen auf 4 Rädern!
Viola Rittig-Resag ist Unternehmerin und Fahrerin in einer Person. Sie gehört zu einer handvoll weiblichen Taxifahrern, die auch Nachtfahrten in Cottbus anbieten. Ein mulmiges Gefühl hat die Unternehmerin bei Nachtfahrten eigentlich nicht. „Ich bin mehr gefährdet, wenn ich nachts zu Fuß unterwegs bin, als wenn ich Taxi fahre“, erklärt sie. Zwar gäbe es hin und wieder auch mal unangenehme Situationen mit Fahrgästen, aber davor seien auch die männlichen Kollegen nicht gefeit. „In solchen Situationen ist es wichtig ruhig zu bleiben und sich nicht provozieren zu lassen. Das ist in jedem anderen Bereich auch so“, erklärt die erfahrene Unternehmerin. Im Notfall könne man sich auf die Unterstützung der Zentrale oder von Kollegen verlassen, die kurzfristig hinterher geschickt werden, um nach dem Rechten zu sehen. Vor allem bei betrunkenen Jugendlichen sei besonders viel Feingefühl gefragt. „Das Personenbeförderungsgesetz gibt dem Fahrgast das Recht grundsätzlich befördert zu werden“, erklärt die Unternehmerin. Ein Taxifahrer darf die Fahrt nicht verweigern - außer in potenziellen Gefahrensituationen.
Auch eine Fahrt von nur 100 Metern ist kein Grund die Fahrt abzulehnen. Dieses Phänomen komme, laut Viola Rittig-Resag, in Cottbus sogar recht häufig vor. Viele ältere Menschen würden sich in den Abendstunden lieber ein Taxi nehmen, als allein zu Fuß nach Hause zu laufen – auch, wenn die Fahrt nur in die nächste Seitenstraße geht.
Über die Rechte und Pflichten im Taxigewerbe sind sich nur wenige Fahrgäste im Klaren. So darf der Fahrgast bei der Zentrale nicht nur das Geschlecht seines Fahrers wählen, sondern auch das Fahrzeug selbst. „Es gibt wirklich Fahrgäste, die beispielsweise auf ein Mercedes-Taxi bestehen“, sagt Viola Rittig-Resag. Auch innerhalb einer Warteschlange von Taxen ist der Fahrgast nicht verpflichtet in das vorderste Taxi einzusteigen. Wenn ein Taxi einen Auftrag angenommen hat und vergisst die Leuchtschrift auf dem Dach auszuschalten, kann es von potenziellen Fahrgästen abgewunken werden, da diese das Taxi für frei halten. Dass Taxis gegen Aufpreis schneller fahren dürfen, stimmt allerdings nicht. „Für uns gelten dieselben Verkehrsregeln, wie für jeden anderen auch. Dafür haben die meisten Fahrgäste auch Verständnis“, erklärt Viola Rittig-Resag.